Stellen Sie sich vor, Sie verlassen das Haus und jemand folgt Ihnen. Nicht nur einer, sondern mehrere, alle. Alle sind mit Stiften, Kameras und Blöcken bewaffnet. Sie folgen Ihnen überall hin, sind so nah an Ihnen dran, dass sie hören können, was Sie sagen, mit wem Sie sprechen. Sie schreiben alles auf. Wen Sie treffen, was Sie bei dem Treffen getrunken haben, wie lange sie mit jemandem gesprochen haben, wo das war, wie laut sie gesprochen haben. Dann gehen Sie nach Hause und die Spione sind immer noch an Ihnen dran. Sie gehen in Ihre Wohnung und schliessen ab. Uff, das ist vorbei. Doch da stehen die Menschen schon wieder, immer noch Stift, Block und Kamera im Anschlag, um jeden Ihrer Herzschläge, jeden Anruf, jedes Gericht das Sie essen oder wegschmeissen, zu dokumentieren.
Spooky? Ja, und vor allem eines: Illegal. Sie könnten problemlos einen Gerichtsbescheid wegen Stalkings erwirken und hätten Ihre Ruhe. Und in der Wohnung wäre das Einbruch oder Hausfriedensbruch, wenn Sie die Personen nicht eingeladen haben.
Doch in der digitalen Welt erleben wir das und es kümmert uns nicht. Jetzt sagen Sie vielleicht, ich übertreibe. Wirklich?
Alexa, Ihr intelligenter Speaker, hört nicht nur auf das Wort Alexa sondern auf 70 andere Begriffe auch.
Am 8.8.2020 ging es durch einschlägige Medien, dass der Google Home Speaker plötzlich intensiver lauschte. In Ihrem zu Hause. Er hört wenn Sie duschen, Sex haben oder Kochen. Gespräche via Skype werden ohne Datenschutz analysiert. Siri von Apple sendet Ihre Textnotizen, Diktate etc. an interne oder externe Firmen und Mitarbeiter, die diese auswerten. Ihnen also zuhören. Am 13.9.2019 kam heraus, dass Zyklus-Apps Daten an Facebook senden. Völlig egal, ob Sie auf Facebook angemeldet sind oder waren oder gar einen Facebook Account haben. Am 27.7.2020 wurde bekannt, das Instagram die Kamera ohne das Wissen der Anwender, also Ihnen, anschaltet, wenn Sie die App benutzen. In 2019 wurde das bei Facebook bekannt. Während Sie die Timeline anschauten wurde still und heimlich die Kamera aktiviert und Sie wurden gefilmt. Laut Facebook waren das nur Programmierfehler, sog. Bugs. Ich glaube das nicht. Facebook arbeitet schon länger daran, Gefühle und Emotionen in den Gesichtern von hochgeladenen Fotos zu erkennen. Warum nicht live, beim Nutzen der App? Und Facebook als auch Google und andere rühmen sich, die besten Programmierer der Welt zu haben. Denen sollen dann solche Fehler unterlaufen? Die dann zufällig auch noch dem Geschäftsmodell der Firma entsprechen? Es gibt Dinge, die ich für glaubwürdiger halte.
Diese Webseite könnte alleine mit solchen Beispielen gefüllt werden. Schauen Sie die Link-Liste an, die ist lang und enthält doch nur einen kleinen Teil der Informationen und Vorfälle.
Ich denke aber, Sie haben einen Eindruck gewonnen, was ich sagen will. Es wird immer und überall versucht, Daten über Sie zu bekommen. Es gibt kein Limit von wem die Daten gewollt werden, es gibt keine Grenzen der Schamlosigkeit, die nicht überschritten wird. Nichts, absolut nichts ist diesen Firmen heilig. Sie machen alles nur denkbare bis es herauskommt. Dann sagen sie, es waren Programmierfehler und geloben Besserung. Aber die Daten haben sie. Sie müssen die Daten nicht löschen, den Geschädigten keine Wiedergutmachung bezahlen. Warum also, sollten die Firmen damit aufhören?
Akzeptieren Sie es und verlassen Sie diese Seite.
Oder Sie lesen weiter und überlegen sich, in welchem Umfang Sie dabei mitmachen wollen.
Bevor Sie loslegen, neue Applikationen zu installieren, sich einen neuen Rechner zu kaufen und Ihre Daten sicherer zu machen, ist es hilfreich, sich ein paar generelle Fragen zu stellen.
Die wichtigste Frage dabei erscheint mir: Welches Risiko- und Bedrohungsprofil habe ich?
Ich gehe davon aus, dass Sie nicht zu den Menschen gehören, die in der Öffentlichkeit stehen und für die es schon gefährlich ist, wenn deren Adresse öffentlich bekannt wird. Das Doxing Beispiel hat dies deutlich gezeigt.
Diese Menschen haben ein anderes Risiko- und Bedrohungsprofil als wahrscheinlich Sie und ich. Doch Anwälte, Whistleblower, Richter, sie alle haben ggf. ein Bedarf an Schutz. Jeder, denke ich, sollte sich Gedanken machen und sich als Einsteig Antworten auf die folgenden Fragen überlegen:
Welches Risiko gehe ich ein, wenn welche Daten bekannt werden (z. B. bei Ihrem Arbeitgeber, bei Ihrem Partner, bei den Nachbarn, bei Ihrer Versicherung, im Verein, im Internet, bei der Regierung)? Immer in dem Wissen, dass diese Daten nie mehr weg gehen und sehr wahrscheinlich mit sehr vielen anderen Instanzen geteilt werden.
- Ihr HIV Test?
- Ihr letzter allgemeiner Bluttest?
- Ihre Steuererklärung?
- …
Welche Daten sehen Sie als schützenswerte an und für wen?
- Ihre Bankdaten
- Ihre Kontaktdaten
- Ihre Adresse
- Erlebnisse aus der Vergangenheit
- Medizinische Daten
- Briefe
- Chats
- Fotos
- Emails
- Auf welchen Seiten Sie gesurft sind
- Welche Termine Sie hatten?
- Ihre Bewegungsdaten
- Kontaktnetzwerke
- …
Aus all diesen Daten können Profile erstellt werden. Aus all diesen Daten können Schlussfolgerungen über Sie und Ihr Leben gestellt werden. Aus all diesen Daten kann ein Krimineller Sie erfolgreicher angreifen als ohne diese Informationen. Bitte denken Sie daran: Es geht nicht um einzelne Datenpunkte sondern um die Kombination aller Daten.
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein junger Anwalt. Nach ein paar Jahren in der Provinz haben Sie sich ein kleines Häuschen mit Ihrer Frau und den zwei Kindern geleistet, das Leben ist wunderbar. Sie werden befördert und auf einmal übernehmen Sie einen Fall gegen organisierte Kriminalität, Klankriminalität oder ähnlich gelagerte Aufgaben. Bis dahin war es Ihnen wahrscheinlich egal, ob jemand Ihre Adresse kannte. Wollen Sie nun aber, dass Ihre Adresse öffentlich bekannt ist? Man diese einfach im Telefonbuch oder beim Grundbuchamt erfragen kann? Oder einfach auf Ihrem Facebookprofil? Wollen Sie dann immer noch Bilder Ihrer Kinder vom letzten Urlaub auf Instagram hochladen? Denken Sie immer daran: Alles was Sie an Informationen heute Preis geben, ist für immer und ewig im Netz verfügbar.
Basierend auf diesen, Ihren Antworten, können Sie sich überlegen, wie weit Sie beim Untertauchen gehen wollen. Sie können sich entscheiden nichts zu tun oder aber Sie können sagen, sie wollen so unsichtbar wie möglich werden. Zwischen beiden Extremen liegen Welten, sowohl in dem, was es kosten könnte, wie sehr Ihr Privatleben betroffen ist usw. Und selbst wenn Sie heute keine Notwendigkeit des Untertauchens sehen, kann sie in Zukunft kommen. Wer weiss was passiert, wie sich die Welt entwickelt, welche politischen Strömungen Macht gewinnen uvm. Ich werde in den folgenden Posts immer wieder darauf hinweisen, dass es diese verschiedenen Extreme gibt. Und wenn Sie sich für die Meeresgrund-Mariannen-Graben Variante entscheiden, dann haben Sie einiges vor.
Die wichtigste Frage, und die schwerste, ist aber:
Welche „Wohltaten“ der Techunternehmen kann ich jetzt, sofort genießen und welches mögliche Risiko gehe ich vielleicht in der Zukunft damit ein? Die Psychologie zeigt, dass der kurzfristige Nutzen fast immer über eine mögliche negative langfristige Auswirkung gewinnt.
Nehmen Sie das Thema Gewicht. Der kurzfristige Nutzen eines Stück Kuchens gewinnt allzuoft über den rationalen Verstand, der sagt: Dafür hast Du morgen 1kg mehr auf der Waage. Aber vielleicht ja auch nicht, ich habe ja heute Sport gemacht.
Der Unterschied ist: Das Gewicht kann ich abtrainieren oder reduzieren. Daten, die einmal gesammelt wurden sind unkontrollierbar und für immer im Umlauf. Und das kann langfristig unser Leben beeinflussen oder sogar beenden. Es kann auch zu Verhaltensänderungen führen. Lesen Sie dazu eine Aussage des langjährigen Google Chefs Eric Schmidt:
Ich habe meine Bluttests und meine Steuererklärung. Ich schreibe Frau Merkel, dass ich die Steuer nicht mehr bezahlen und keine Daten mehr einreichen werde. Der Google Chef hat gesprochen.