Cookies mit berechtigtem Interesse

Update 3.3.2021: Das Landgericht Rostock🇬🇧 hat am 22.9.2020 in einer Klage des Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherbände gegen die advocado GmbH ein Urteil zu dem unten beschriebenen Thema gefällt. Das Gerichtsurteil in Deutsch (PDF) können Sie nachlesen.

Die advocado GmbH wurde verurteilt.

Auszug aus dem Urteil

Konkret wird in dem Urteil auf die Verwendung von Google Analytics eingegangen und die unten beschriebenen standardmässig aktivierten Cookies. Warum Webseiten das trotzdem weiter machen (dürfen), ist nur schwer erklärbar, ausser damit, dass es niemanden interessiert oder man als Bürger in Deutschland nur schwer sein Recht bekommt.

Update Ende.

Als ich über Cookies schrieb, ist mir etwas durch die Lappen gegangen: Die berechtigten Interessen der Webseiten-Anbieter.

Wenn Sie die Cookie-Fenster eingeblendet bekommen haben, ist es Ihnen bei der einen oder anderen Seite vielleicht aufgefallen: Neben den „Essentiellen“ Cookies und den Marketing Cookies gibt es die Cookies mit dem wunderbaren Namen: Berechtigtes Interesse.

Viele Webseiten-Anbieter haben diesen „Ausweg“ genommen, um Ihnen doch Cookies unterzujubeln und Daten zu sammeln und zu verkaufen. Oftmals argumentieren die Seitenbetreiber damit, dass Sie dies benötigen um Betrug zu verhindern oder Direktwerbung zu schalten, da sie den Inhalt kostenlos anbieten und sich finanzieren müssen.

Um ein berechtigtes Interesse nachzuweisen, müssen primär drei Voraussetzungen erfüllt werden.

– Die Berechtigung muss beim Datenverarbeiter tatsächlich vorliegen und nachweisbar sein.
– Die Datenverarbeitung ist in Bezug auf das berechtigte Interesse eine zwingende Notwendigkeit.
– Die von der Datenverarbeitung betroffene Person wird in ihren Grundrechten und der Grundfreiheit nicht beeinträchtigt.

Grundsätzlich besteht nie ein berechtigtes Interesse, wenn die Datenverarbeitung zu kriminellen, strafrechtlich verfolgbaren oder werblichen Zwecken eingesetzt werden soll.

Vielmehr ist es notwendig, sein berechtigtes Interesse mit der Angabe zum Grund der Datenverarbeitung UND zu den gespeicherten Daten zu begründen. 

Datenschutz Frankfurt: https://datenschutzfrankfurt.de/berechtigtes-interesse-zur-datenverarbeitung-was-bedeutet-das/

Letzteres habe ich auf keiner der Seiten gefunden.

Nachdem wir den rechtlichen Teil abgehakt haben, der praktische Teil. Wenn ich auf eine Webseite surfe, dann bekomme ich ein Cookie-Fenster angezeigt. Es ist bei vielen Seiten unterschiedlich, daher sind das hier nur kurze Beispiele was passieren kann und was ich schon erlebt habe.

Haben Sie schon mal nach einem Gebrauchtwagen gesucht. Super, Ihre Daten sind bei ca. 70000000000000 Firmen gelandet. Auftritt: www.autoscout24.de.

Sie klicken auf individuelle Datenschutzeinstellungen um bestimmte oder alle Sammler abzulehnen. Manche Seiten zeigen dann einen separaten Punkt „Berechtigtes Interesse“ an. Bei manchen ist er standardmässig aktiviert, bei anderen deaktiviert. Überraschend, denn eigentlich muss ich allem, was nicht „essentiell“ ist zustimmen. Andere Seitenbetreiber sind cleverer. Sie zeigen die „Berechtigten Interessen“ auf dieser Stufe nicht. Sie verstecken sie. Sie sehen eine lange Liste die Einträge wie diese enthält:
Informationen auf einem Gerät speichern …
Auswahl einfacher Anzeigen …
Personalisierte Anzeigen auswählen …
Personalisierte Inhalte auswählen …

usw.

Alle sind deaktiviert, wie es das Gesetz vorsieht. Und es ist auch nirgends ersichtlich, dass Sie auf die Einträge klicken können um mehr Details dazu zu erhalten, also kein Link, kein Pfeil oder sonstiges, es sei denn, Sie lesen den Text der dort sehr klein geschrieben steht. Doch Sie können auf die Einträge klicken und laden weitere Erklärungen. Und jetzt kommt es:
Dort sehen Sie, dass das „Berechtige Interesse“ aktiviert ist. Obwohl in der obigen Liste alles deaktiviert schien, sind in den Unterpunkten Einträge aktiviert. Eine Anfrage an noyb habe ich dazu gestellt und werde die Antwort dazu hier publizieren. Das ist meines Verständnisses nach nicht im Sinne der DSGVO. Interessant hierbei ist auch, dass auf einigen Seiten dieses Interesse nicht deaktivierbar ist, auf anderen Seiten sehr wohl. Bei Autoscout24 ist es deaktivierbar, überall, wenn Sie Nerven und Geduld und sehr viel Zeit mitbringen.

Genug der grauen Theorie, gehen wir in Medias Res.

Surfen Sie auf die Seite www.autoscout24.de. Es kommt ein Cookie-Fenster. Sie sehen die Einträge wie oben beschrieben und können sie anklicken. Klicken Sie beispielsweise in „Auswahl einfacher Anzeigen“, dann sehen Sie bei „Einwilligung“ eine Deaktivierung aber bei „Berechtigtem Interesse“ eine Aktivierung, die Sie deaktivieren können (rot). Schön ist auch zu sehen, dass das Grün des Knopfes etwas angegraut ist und so, wie bei vielen Applikationen und Betriebsystemen üblich, den Eindruck vermittelt, dass das nicht geändert werden kann. Aber das ist sicher nur ein Programmierfehler.

Spasseshalber können Sie weiter runterscrollen und sich die Liste der Drittanbieter anschauen. Nehmen Sie sich aber vorher drei Wochen Urlaub, denn diese Liste ist LLLLAAANNNNNGGGG. Sehr lang. Warum eine Webseite Ihre Daten an mehrere HUNDERT Werbetreibende senden muss um zu überleben, das erschliesst sich mir nicht. Ich dachte, die leben von der Vermittlung von Gebrauchtwagen.

Doch halt, ganz unten, ganz am Ende, wenn Sie schon einen Tennisarm vom Scrollen bekommen haben, sehen Sie: Drittanbieter: PROXISTORE und Google Advertising Products (Google ist einfach immer überall dabei) und rechts daneben steht: „Ein“. Bei allen darüber steht „aus“. Obwohl Sie das „Berechtige Interesse“ deaktiviert haben, zumindest so der Anschein, seht dort „Ein“. Google hat also ein berechtigtes Interesse daran, ob Sie einen Gebrauchtwagen kaufen oder suchen. Und obwohl Sie das aktiv ausgeschaltet haben, ist es angeschaltet. Doch auch auf dieses Feld können Sie klicken. Zum Beispiel zeigt es Ihnen dann PROXISTORE an und das „Berechtigte Interesse“ ist: Grün. Obwohl Sie es deaktiviert haben. Wenn Sie dort den Eintrag deaktivieren, also röten, dann landen Sie in einer andern Ansicht. Gehen Sie zurück auf „Zwecke->Auswahl einfacher Anzeigen“ und Sie sehen, „Berechtigtes Interesse“ ist rot, wie von Ihnen gewünscht. Scrollen Sie nach unten. Dort ist PROXISTORE jetzt „aus“ aber Google ist noch „an“. Klicken Sie darauf und Sie erhalten wieder ein Fenster in dem das „Berechtigte Interesse“ grün ist. Schalten Sie es auf rot und scrollen Sie nach unten. Dort steht bei „Auswahl einfacher Anzeigen“ das es auf „ein“ gestellt ist. Klicken Sie darauf und Sie landen bei „Auswahl einfacher Anzeigen“ und sehen dort: „Berechtigtes Interesse“ ist wieder grün. Magie. Scrollen Sie wieder ganz nach unten und Sie sehen, das PROXISTORE und Google auf „aus“ gestellt sind. Das Ganze müssen Sie jetzt für jede der ca. 20 Gruppen durchführen. Und das in Zukunft auf jeder Webseite. Manche sind dort Nutzerfreundlicher und wie schon gesagt, manche erlauben nicht, dass Sie das berechtigte Interesse abwählen können.

Wenn Ihr Urlaub noch nicht vorbei ist, klicken Sie anstelle auf „Zwecke“ auf „Anbieter“. Scrollen Sie langsam die ewig lange Liste herunter und sie stellen fest, manche der dort genannten Datensammler sind nicht ausgebaut. INFOnline GmbH oder Oracle Data Cloud-Moat (immer ein). Über Oracle Moat lesen Sie im Internet:

Moat by Oracle is a measurement and marketing analytics suite designed to help advertisers, publishers, and platforms measure media performance across the breadth of their digital and TV advertising campaigns.

www.oracle.com

Also ein Datensammler und dieser ist immer auf Ein gestellt. Egal was Sie tun.

Aber es ist Licht am Ende des Tunnels: Die EU hat sich diesem Thema angenommen. Mit der E-Privacy Verordnung wird ganz sicher alles besser.

Wer auf seiner Homepage unentgeltlich Inhalte verfügbar macht und sich über Banner finanziert, soll den Zugang dazu mit dem Aufspielen von Cookies ohne Zustimmung der Nutzer verbinden können.

heise Verlag

Und wer kontrolliert, welche und wieviele Cookies das sind, wohin die gehen, ob das Deaktivieren genauso benutzerfreundlich funktioniert wie oben.

Liebe Leser, es hilft alles nichts, Staat und Firmen werden Ihnen nicht helfen. Im Gegenteil: Die Firmen wollen Sie zu Geld machen und der Staat Sie überwachen. Er will Konsumenten und Wähler aber nicht kritisch denkende Menschen die Ihre Privatsphäre schützen wollen. Und schon keine Menschen, die für sich selbst verantwortlich sind und Transparenz wollen und in der Lage sein möchten, Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Also schützen Sie sich selber und folgen Sie diesem Blog, der Ihnen dabei hilft.