Mal wieder Chatkontrolle. So lange die EU damit nicht aufhört, höre ich auch nicht auf.
Die TU Delft hat sich sechs Aussagen der Europäischen Kommision angeschaut und auf Wahrheitsgehalt überprüft. Euractiv berichtete darüber.
Laut Forschern der TU Delft, einer führenden niederländischen technischen Universität, hat die Kommission bei der Werbung für die Initiative zur Bekämpfung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch (CSAM) einige falsche oder widersprüchliche Aussagen gemacht.
https://www.euractiv.com/section/platforms/news/fact-checkers-call-out-commission-on-anti-child-abuse-material-proposal/
Dabei stellt die TU Delft fest, dass drei der sechs Aussagen schlicht falsch sind. Ausserdem weisst sie darauf hin, dass der Umgang mit illegalen Inhalten, wie beispielsweise Kindesmissbrauch, schon im Digital Services Act festgelegt ist. Aber nicht nur das, es gibt auch ein bis Ende 2025 befristetes Framework, ePrivacy Derogation, das Diensteanbietern erlaubt eigene Massnahmen zu ergreifen, um etwaigen Missbrauch der Plattform zu kontrollieren und zu verhindern.
Die TU Delft hat sich also sechs öffentliche Statements der Kommission angeschaut, die die Notwendigkeit der Chatkontrolle belegen sollen.
Eines von fünf Kindern ist Opfer von sexueller Gewalt. (nach Einschätzung des Europarates)
Holländische Tageszeitung Trouw
So kann man Daten auch verdrehen. Diese Zahl ist schlimm, aber hierbei handelt sich nicht um Online-Fälle sondern um alle Fälle. Da die Chatkontrolle aber Online-Überwachung bekämpfen soll, fände ich es hilfreich zu wissen, wieviele Kinder Online betroffen sind. Die Chatkontrolle hilft im analogen Leben wahrscheinlich gar nicht. Auf Nachfrage räumte die Kommission das auch ein. Sie zitiert dabei nicht veröffentliche Studien und erwähnt dass viele Fälle beides beinhalten. Mir reicht das so nicht.
90% der weltweiten Fälle von kinderpornografischen Material wird auf Servern in der EU gespeicher. …
45% des Materials wird in den Niederlanden gehostet. …
85 Millionen Fotos und Videos wurdem im jahr 2021 abgefangen, basierend auf den Zahlen des NCMEC.
s.o.
Interessanterweise widerspricht sich die Kommission hier selber. In einem eigenen Informationsblatt reden sie von 60%. Das ist immer noch viel. Wieso wird nicht die richtige Zahl verwendet? Sie ist hoch genug für die Argumentation. Wieso eine höhere Zahl nennen und sich angreifbar und unglaubwürdig machen? Verstehe ich nicht.
Laut der TU Delft sind die 45% nicht zu überprüfen, dass aber alle Studien zeigen, dass die Zahl in den Niederlanden unverhältnismässig hoch ist. Was unterscheidet die Niederlande von anderen EU Ländern? Kann man hier ansetzen? Ich weiss es nicht.
Wie netzpolik.org berichtet, sind die 85 Millionen in der Aussage zwar wahr, aber sie beinhalten auch Duplikate und andere Fälle, die man eigentlich so nicht zählen darf.
Ausserdem erwähnte die Kommission, dass die Zahl kinderpornografischen Materials um 6.000 Prozent zugenommen habe. Selber erwähnt die Kommission in einem Informationsblatt, dass die Zahl von 2010-2020 um 4.200% zugenommen (und beruft sich dabei wieder auf Daten des NCMEC, die mit Vorsicht zu geniessen sind).
Was die Kommission leider nicht darlegt: Wieviele davon werden über Messenger, E-Mail, SMS etc. versendet und wieviele über das Darknet. Denn nur das, was über Messenger, E-Mail etc. unternommen wird, wäre durch die Chatkontrolle auffindbar.
Eine der früheren, grössten Videoplattformen mit kinderpornografischem Material, ‚Welcome to Video‘, war ein Server im Darknet der in Südkorea stand und keine Sammlung in WhatsApp. Bei einem dieser Monster wurden 450.000 Stunden Videos mit Kindesmissbrauchs gefunden (Quelle: Andy Greenberg: Tracers in the Dark, Seite 276). Die hat er nicht über WhatsApp oder Signal gesammelt und verwaltet, und ganz sicher nicht über E-Mail.
Auf dem Server, der keine Chatnachrichten mit Pornografie verschickte, haben die Fahnder 250.000 Videos gefunden. Mehr als jemals in der Geschichte der Menschheit an einem Ort. Und das Fatale: 45% der Videos waren neues Material. Diese Plattformen sollten wir bekämpfen. Dort spielt sich das allermeiste an diesen scheusslichen Verbrechen ab. Wie der Fall ‚Welcome to Video‘ zeigt, diese Anbieter sind auffindbar. Man braucht die Fähigkeiten und die Leute dazu, diese sollten wir aufbauen.