Menschen haben sehr unterschiedliche Auffassungen, was Privatsphäre angeht. Sie sind unterschiedlich sensibel. Die einen schämen sich noch als Erwachsene über die Doktorspiele als Kind, andere wollen nicht, dass die ganze Welt weiß, dass sie HIV-positiv sind. Wiederum andere fühlen sich nicht wohl dabei, in der Apotheke nach einem Medikament für erektile Dysfunktion zu fragen oder sich gar beraten zu lassen. Schon gar nicht, wenn die Apotheke voll ist. Anderen ist es wiederum peinlich, dass sie vor 30 Jahren mal fremd gegangen sind oder einen Schokoriegel geklaut haben.
Gerade bei medizinischen Themen, wie oben einige genannt, sind viele Menschen empfindlich. Sie hängen das nicht an die große Glocke mit der HIV-Erkrankung, Syphhillis, Tripper, Clamydien oder Potenzproblemen. In eine Apotheke zu gehen, in der vielleicht eine 20-jährige Azubi bedient und dieser von den Potenzproblemen zu erzählen, um ein Medikament zu bekommen, ist vielen Männern unangenehm. Von einer möglicherweise nötigen Beratung ganz zu schweigen.
Ich habe etwas derartiges erlebt. Ich bin in eine Apotheke gegangen, weil ich einen HIV Test kaufen wollte, für einen Freund. Die junge Angestellte war sehr unfreundlich und es war ein sehr unangenehmes Erlebnis.
Was machen viele also? Sie kaufen diese Medikamente Online. Mittlerweile gibt es so viele Anbieter, dass man auch die besten Preise bekommen kann. Außerdem bleibt man im gewissen Rahmen anonym, keine 20 Kunden aus demselben Dorf, in dem jeder jeden kennt, die hinter einem warten, während man mit der Pharmazeutin über die beste Windel redet.
Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Wie schwedische Journalisten herausgefunden haben, sammelt, na wer wohl, genau, Facebook, Kundendaten von über 100 Online-Apotheken in Europa. Wenn Sie also auf eine Webseite einer Online-Apotheke gehen, werden sogar Ihre Suchen nach Produkten an Facebook gesendet. Nicht nur, was Sie kaufen, sondern auch, für was Sie sich interessieren. Sie suchen nach HIV Medikamenten oder Viagra? Facebook bekommt diese Info.
Nach Europa-Recht dürfen Apotheken diese Daten nicht teilen, tun es aber, massenhaft, in die USA. Wenn Sie also Medikamente Online gekauft haben und bei Facebook sind, erwarten Sie in Zukunft entsprechende Werbung.
Übrigens: Diese Daten über Sie werden auch gesammelt, wenn Sie gar nicht bei Facebook sind, kein Konto dort haben, und nie mit Meta, Facebook, Instagram etc. zu tun hatten. Facebook erhält diese Daten und verwendet sie. Also rechnen Sie mit entsprechender Werbung.
Hat Ihr Freund ein Facebook Konto, Sie aber nicht, dann sind Ihre Daten ziemlich sicher bei Facebook, denn er wird sehr wahrscheinlich sein Adressbuch hochgeladen haben. Spätestens in WhatsApp. Facebook weiß also nicht nur, welche Freunde Sie haben, sondern auch welche Medikamente Sie nutzen oder welche bald in Frage kommen könnten. Aber Sie kaufen sicherlich nur für einen Freund ein, oder?
Und das, obwohl Sie aktiv Meta und alle seine Firmen gemieden haben.
Wie machen die Apotheken das?
Sie verwenden das sog. Tracking-Pixel von Facebook. Dieses ist für den Kunden auf den Webseiten nicht sichtbar und Kunden können das nicht ablehnen. Es ist also da, Sie wissen nichts davon, haben der Datensammlung auch nicht zugestimmt, aber es wird trotzdem getan. Das widerspricht EU Gesetzen, die besagen, Sie müssen der Datensammlung aktiv zustimmen. Die Daten dürfen auch nicht in die USA gesendet werden, aber auch das scheint egal zu sein.
Nachdem Sie Ihr Viagra, HIV Medikament und noch Schlaftabletten in Ihren Warenkorb gelegt haben, gehen Sie zum Checkout. Dann erhält Facebook auch noch Name, Adresse, Telefonnummer uvm.
Der Vollständigkeit halber: Meta sagt, die Verantwortung liege bei den Apotheken, die solche Daten einfach nicht schicken sollten. Facebook sagt aber nicht, dass sie sie ablehnen.
Das ist typisch Meta, um die Verantwortung wegzuschieben, aber sie bieten
Paul Tang, niederländischer Europaabgeordneter
die Gelegenheit dazu, also sind sie verantwortlich.“
Er stimmt zu, dass die Apotheken auch verantwortlich sind.
Meta verkauft diese Daten an die bestzahlenden Werbetreibenden weltweit. Immer und immer und immer wieder.
Würden die Gesetze in der EU umgesetzt und müsste Meta jedes Mal für seine Verstösse bezahlen, wären sie wahrscheinlich schon lange pleite. Das Geschäftsmodell von Meta funktioniert nur, weil große Firmen sich nicht an die Gesetze halten müssen, weil die Staaten die Gesetze nicht umsetzen.
Happy Online Shopping.