Den Umgang mit Standortdaten haben manche Menschen leider immer noch nicht verstanden. Auch nicht, dass das das wichtigste Datum der Datensammelei ist.
So mein Eindruck. Es ist Zeit, diese Lücke zu schließen.
Eines vorweg: Wenn ich mir anschaue, was Firmen so alles treiben, damit sie an unsere Standortdaten gelangen, muss das ein wirklich lukratives Geschäft sein. Google hat illegal Standortdaten gesammelt und fast $400 Millionen Strafe gezahlt.
Fangen wir mit dem mobilen Netz an.
Mobiles Netz
Hinweis: Ob Sie eine SIM-Karte im Handy haben oder nicht, hat keinen Einfluß auf die Funktionalität mit einem Funkturm Verbindung aufzunehmen. Diese Fähigkeit hat das Handy, auch ohne SIM-Karte. Ja, das musste sein. Viele Nutzer denken nicht darüber nach und meinen, ohne SIM-Karte wäre das Handy tot.
Über Triangulation kann der Mobilfunkanbieter Ihren Standort ermitteln. Dabei hängt die Genauigkeit davon ab, wieviele Funktürme um Sie herum sind. Sind es viele, wird die Standortbestimmung genauer, sind es weniger, ist sie ungenauer.
Selbst wenn Sie die SIM-Karte aus dem Telefon nehmen, verbindet sich Ihr Telefon mit den Funktürmen. Zum Beispiel aus regulatorischen Gründen, aus Sicherheitsgründen oder anderen.
In einigen Ländern ist es rechtlich bindend, dass Nutzer die 110 (oder 911 in anderen Ländern) erreichen können, egal ob sie einen Vertrag mit dem Anbieter des nächsten Turms haben oder nicht.
AGNSS (Assisted Global Navigation Satellite System) ist ein Verfahren zur Übermittlung von Hilfsdaten über ein von GPS verschiedenes Übertragungsnetz zur genaueren und schnelleren GPS-Positionsbestimmung. Das heisst, es hilft dem Handy, den genauen Standort schneller zu bestimmen. Dafür lädt es Satelliten-Daten auf das Telefon herunter.
Selbst wenn Sie keine SIM-Karte im Handy haben, können die Funktürme mit dem Handy kommunizieren und über diese Satelliten-Daten Ihren Standort genauer bestimmen. Im Englischen nennt man das „cellular triangulation“ oder auch „network based positioning“.
Die Zeitsynchronisation des Handys geschieht oftmals über Funktürme. Auch das geschieht ohne eine SIM-Karte. Da es dabei um geringe Mengen an Daten geht, es für Mobilfunkanbieter aber essentiell ist, das die Zeiten synchronisiert sind (um Anrufe genau zu bestimmen und vieles mehr), funktioniert das meist auch ohne SIM-Karte.
Ohne SIM-Karte geschieht der Datentransfer der obigen Beispiele seltener und beinhaltet weniger Informationen, als wenn Sie eine SIM-Karte nutzen. Aber die Daten können Ihnen, ohne SIM-Karte, nicht als Benutzer oder Kunde zugewiesen werden.
Wenn Sie die oben angegebenen Möglichkeiten, Ihren Standort zu bestimmen, verhindern wollen, müssen Sie den Flugmodus einschalten.
Flugmodus
Kommen wir zum Flugmodus. Viele Menschen denken, dass dieser alle Signale stoppt. Das stimmt leider nicht.
Dieser Modus wurde vor allem für den Flug entwickelt und blockiert daher Mobilfunkverbindungen und somit nur die Verbindung zu Mobilfunktürmen. Denn diese sind so stark, dass Flugzeuge davon betroffen sein könnten. Eigentlich sind die Flugzeuge stark abgeschirmt gegen solche Probleme, aber aus Sicherheitsgründen hat man das eingeführt. Da man aber Nutzern während des Flugs nicht die Handys abnehmen oder die Nutzung des Handys untersagen wollte, hat man diesen Modus entwickelt.
Ein anderer Grund, warum verhindert werden soll, dass Handys mit Funktürmen kommunizieren ist banal: Die Funktürme sind nicht dafür entwickelt worden, dass Handys alle paar Millisekunden einen neuen Funkturm suchen und benötigen, wenn sie mit 800km/h daran vorbeifliegen.
Im Flugmodus kann GPS (Global Positioning System) trotzdem funktionieren. Also müssen Sie sicherstellen, dass Sie GPS, oder auch Lokationsdienste oder Standortdienste deaktivieren. Der Flugmodus alleine hilft nicht dabei.
Nun sagen manche: Na komm, GPS empfängt doch nur Daten von den Satelliten und sendet keine zurück, wie kann das die Privatsphäre beeinflussen, wenn ich kein Netz habe?
Das Telefon speichert diese Standortdaten und teilt sie verschiedenen Diensten mit. Wenn Sie kein Netzwerk haben (WLAN und Mobilfunk), aber GPS ist aktiviert, dann zeichnet Ihr Handy diese Standortdaten auf und beim nächsten Netzwerkzugriff werden diese an verschiedene Diensteanbieter, mindestens aber an Google oder Apple, übertragen.
Außerdem an jede andere App, der Sie erlaubt haben, die Standortdaten zu verwenden.
Wenigstens bei Google wissen wir, dass diese die Daten an über 1000 Firmen verkaufen, darunter auch Datenbroker, die diese Daten mit anderen zusammenfassen und weiterverkaufen. Seien Sie also selektiv, welcher App Sie erlauben, welche Standortdaten wie zu verwenden und ob sie GPS überhaupt permanent aktiv haben wollen.
Empfehlung: Nur, wenn Sie es gerade wirklich benötigen aktivieren.
Sie können oftmals einstellen, dass Sie keine genauen Standortdaten verwenden wollen, sondern nur grobe.
In iOS können Sie in Einstellungen->Datenschutz & Sicherheit->Ortungsdienste die Apps sehen und welchen Zugriff Sie genehmigt haben. Dort gibt es einen Schalter für manche Apps, „Genauer Standort„. In Android (GrapheneOS) gehen Sie auf Standort und klicken auf die App, die den Dienst angefragt hat und können dann entscheiden, ob die den Schalter „Genauen Standort verwenden“ nutzen wollen. Beim Wetter bringt das vielleicht keinen Vorteil, bei der Navigation sicherlich schon.
Auf beiden Systemen muss der Standort aktiviert sein, um die Apps in den Einstellungen zu sehen.
Sie können alles verbieten und erst wenn Sie die App benötigen, erlauben Sie es ihr und verbieten es nach der Nutzung wieder. Da die meisten Nutzer die Datenschutzhinweise der Apps nicht lesen, überlesen sie ggf. auch, dass die Standortdaten von dem App-Anbieter an Dritte verkauft werden dürfen.
Schauen Sie sich ab und zu an, welche Apps auf Ihre Standortdaten zugegriffen haben. Vielleicht haben Sie einmal zum Testen zugestimmt aber wollen es jetzt nicht mehr.
WiFi
Grundsätzlich sage ich seit langem, dass Sie WiF ausschalten sollten, wenn Sie es nicht nutzen. Mein Haupthandy verwendet fast nie WiFi, weil ich genug Datenvolumen auf dem Vertrag habe und weil ich für zu Hause ein altes billiges Handy verwende, dass zwar im lokalen Netz verbunden ist, aber keine SIM-Karte hat und ich das Handy im Router an einer Internetverbindung hindere.
Aber schauen wir uns WiFi weiter an.
Wichtig: Sie müssen gar nicht mit einem WiFi verbunden sein, damit Ihr Standort über WiFi bestimmt werden kann. Es reicht, wenn es aktiviert ist.
Erinnern wir uns an AGNSS. Dieses System kann auch WiFi Signale nutzen, um bspw. GPS bei der Bestimmung Ihres Standortes zu unterstützen.
Es gibt u.a. bei Google und Apple Datenbanken, die alle WiFi Netzwerke mit einem Standort verbinden. Wenn das Google Street View Auto bei Ihnen vorbei fährt, dann sammelt es auch die Namen aller WiFi Netzwerke mit den GPS Koordinaten. Das heisst konkret: Sie haben die SIM-Karte herausgenommen, GPS deaktiviert und fühlen sich was Standortdaten angeht sicher in Ihrem WLAN, dann überlegen Sie noch mal. Der Name des Netzwerks, die SSID, wird an Google oder andere gesendet und über die Datenbank weiss der Dienst, wo Sie sich gerade jetzt aufhalten.
Gehen Sie auf wigle.net, eine offene Lösung für solche Karten. Sie können davon ausgehen, dass die grossen Techfirmen sehr viel mehr Daten und bessere Informationen haben.
Wie Sie die Sammelei der SSID unterdrücken können, habe ich hier beschrieben.
Auch AGNSS kann die WiFi Daten aus den Datenbanken nutzen, um den Standort eines Handys zu bestimmen.
Außerdem kann auch hier Triangulation verwendet werden. Jedes Haus hat heute eine Menge an WiFi Netzwerken. Über die Stärke der verschiedenen Netzwerksignale kann die Triangulation genauer bestimmen, wo Sie sich gerade befinden. In Ihrer Wohnung oder bei der netten Nachbarin?
Bei WiFi kommt hinzu, dass es nicht nur Daten erhält, sondern auch selber welche sendet. Es schickt Testpakete an die sich in der Umgebung befindlichen Router. Manches Gerät sendet dabei die bekannten SSIDs, die, mit denen Sie bisher schon mal verbunden waren, an alle die WiFi Router in der Umgebung. Das ist bequem, wenn Sie im Starbucks nebenan schon mal waren. Dann verbindet sich Ihr Handy automatisch, wenn Sie wieder hingehen.
Im Prinzip macht Ihr Handy die ganze Zeit folgendes: Es schreit permanent in die Gegend:
„Hey, ist einer von Euch in der Nähe? Hier die Liste, die ich kenne.“
Und gibt damit die Namen aller WiFi Netze, mit denen Sie je verbunden waren, preis. Starbucks antwortet dann:
„Ja, ich bin hier, Hallo, verbinde Dich doch. Wir kennen uns ja schon.“
Die Liste der bekannten WiFi Netze kann zum Fingerprinting (eindeutiges Erkennen, wer Sie sind, ähnlich wie beim Browser) verwendet werden. Damit sind Sie trotz aller AdBlocker und DNS Blocker und anderen Vorkehrungen immer noch eindeutig identifizierbar. Es gibt eine Studie vom 18.6.2022 mit dem Titel „WiFi Probe Requests Can Expose Identifying Information“.
Hinweis: Denken Sie bitte daran, dass Apple hier noch weiter geht und dabei versucht, die Firmen der WiFi-Routerhersteller zu ermitteln, in dem es nicht nur die SSIDs liest sondern auch die ersten drei Ziffernpaare der MAC-Adresse (weltweit eindeutige Netzwerkadresse jedes Netzwerk-fähigen-Chips) des Routers. Kaufen Sie einen neuen, von einer anderen Firma, dann bekommt Apple das mit.
Denken Sie daran: Ihr Handy in den Flugmodus zu schalten, schaltet nicht automatisch WiFi aus. Im Flugzeug verwenden Sie sicher den Flugmodus und WiFi. Also achten Sie auf beides. Und denken Sie bei iPhones und iPads auch bitte daran, dass WiFi im Kontrollzentrum nicht ausgeschaltet wird. Ich hatte das hier schon erklärt. Sie müssen in die Einstellungen gehen und dort explizit WiFi deaktivieren.
Wenn Sie paranoid sind, was das Überwachen Ihres Bewegungsprofils angeht, könnten Sie sich einen sog. Faraday Bag besorgen. Dieser schirmt das Handy komplett von allen Signalen ab. Aber: Dann erhalten Sie auch keine Anrufe mehr und die Mitteilungen von WhatsApp, Signal, Mail, Mastodon, … fallen auch flach. Das wollen nur die wenigsten.
Wenn Ihnen mal wieder der Gedanke kommt: Ich habe ja nichts zu verbergen. Oder: Ich bin so unwichtig, ist mir egal.
Dann denken Sie bitte daran, wieviel Energie all die Firmen investieren, in Software, Hardware, Server, Entwickler, … um an Ihre Standortdaten zu kommen.
Fragen Sie mich bitte nicht, warum sie das tun. Ich bin nicht hier, um die Motivation der Techgiganten zu erklären. Aber wir leben im Kapitalismus und die Firmen machen das nur, weil sie irgendwie damit Geld verdienen können. Offensichtlich viel Geld, bei dem was die alles anstellen, um an Ihre Daten zu gelangen und welche Strafen sie in Kauf nehmen.