Digitalisierung=Überwachung?

Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass Digitalisierung nur noch mit Überwachung umgesetzt wird. Sobald etwas digitalisiert wird, werden automatisch alle Daten, die nur möglich sind, abgegriffen. Über die letzten Jahre scheinen sich die Menschen daran gewöhnt zu haben und denken gar nicht mehr darüber nach. Apps, die vollständig lokal laufen könnten, sammeln Daten und senden sie in der Welt herum. Das es auch ohne ginge merke ich daran, dass viele Apps gut funktionieren, wenn ich alle Verbindungen blockiere. Wie das möglich ist, habe ich hinlänglich beschrieben.

Selbst ehemalige IT-Firmen wie Microsoft, Amazon oder Apple mutieren mehr und mehr zu Datensammlern und -schleudern.

Mit dieser Datensammelwut, die oftmals illegal ist oder nur funktioniert, weil die Benutzer zu allem und jedem einfach “Ja“ sagen (oftmals unter Verwendung von Dark Patterns), geht etwas anderes einher: Scheint die gesamte Weltwirtschaft nur noch mit Werbung zu funktionieren? Leben Firmen nur noch von Werbeeinnahmen? Ich könnte ja nachvollziehen, wenn das so wäre, aber wieso werden die Produkte dann nicht günstiger? Vielleicht, weil die Kosten für Werbung auf die Produkte drauf geschlagen werden? Der Fernseher kostet genauso viel wie früher aber jetzt hat er Internet und überwacht alles, was ich am TV tue. Verstehe ich nicht. Wenn man sich die steigenden Umsätze der Werbetreibenden ansieht und die Tatsache, dass immer mehr ein Stück vom Kuchen abhaben wollen, wundere ich mich, dass die Inflation nicht noch höher ist.

Zuletzt gab es einen Bericht in der SZ, dass Vonovia neue Rauchmelder bei Mietern installieren und diese Daten sammeln und in die USA senden will. Andere bekannte Fälle kennen Sie schon: Ein Fahrrad, das sich nur aufschließen lässt, wenn man eine Cloud- und Bluetooth-Verbindung hat. Autos, Fernseher, uvm. Nichts, dass irgendwie Strom hat, gibt es noch ohne Internet und Cloud-Verbindung. Geht die Firma pleite, wird an einen anderen verkauft oder was auch immer, dann ist es für Sie als Kunde problematisch. Außerdem machen wir uns damit abhängig. Die Firmen können Stück für Stück den Dienst reduzieren und die Kosten erhöhen. Das sehen wir im Moment vor allem in den USA, aber es wird auch sukzessive zu uns kommen.

Viele von uns tun sich schwer, von einem Android zu einem iPhone zu wechseln. Zu schwierig, zu unbequem. Daher bleiben sie beim Gewohnten. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ein anderes TV-Modell? Nein, da muss ich mich ja an die neue Steuerung und die neue Fernbedienung gewöhnen.

Zusätzlich verstärkt sich der Lock-In Effekt. Mit jedem Tag, den wir das geschehen lassen, wird er stärker und es wird für uns schwieriger, eine Alternative zu wählen. Die Quintessenz davon sind Monopole, Duopole oder Oligopole aus Amerika, die bestimmen, wie wir leben. Ich finde das nicht erstrebenswert.

Beispiel: Die Apple Watch geht nur mit dem iPhone. Die Integration mit der iCloud, dem Apple TV usw. sind brilliant, aber machen es so gut wie unmöglich, zu wechseln. Ich habe es probiert. Dabei musste ich viel Zeit investieren und einniges ausprobieren. Wann immer ich einen Techiefreund um Rat frage, weil ich ein technisches Problem habe, sagt er zu mir: Bei Deinem Datenschutz würde ich zuerst da schauen. Das sagt er auch, wenn es um etwas völlig anderes geht.

Auf ähnliche Weise hat uns Microsoft mit Windows und Office am Haken.

Wie kann es sein, dass alles Digitale nur noch mit Überwachung zu gehen scheint?

Jetzt werden einige Leser/Programmierer einwerfen: Ich verwende doch nur die SDKs (Softwareentwicklungsplattformen, zum Beispiel um mit Facebook zu kommunizieren) oder bekannte und getestete Frameworks (Code, der bestimmte Funktionen ausführen kann, die viele Apps immer wieder benötigen, z. B. Dateien zu speichern, aufs Netzwerk zugreifen, …). Oder einen Dienst wie Crashlytics, der Entwicklern eine gute Umgebung bietet, Fehler in den Apps zu sammeln, Muster zu erkennen und die Fehler zu beheben. Das müssten Entwickler sonst alles selber programmieren und verwalten.

Natürlich sind die Frameworks und Dienste ein Segen, wenn ein Entwickler, ein Start-Up oder eine Firma schnell ein neues Produkt auf den Markt schmeißen wollen. Aber sie tun dies zu dem Preis, dass dafür die Käufer/Nutzer für diese Beschleunigung mit ihren Daten bezahlen. Mit Profilerstellung und Überwachung. Ich bin nicht bereit, diesen Preis zu bezahlen.

Möglicherweise denken jetzt manche: Aber so können sich auch weniger gut Verdienende tolle Apps leisten. Bingo. Aber warum dann keine Apps anbieten, die man kaufen kann und die nichts, wirklich nichts, tracken und jeder andere bekommt dann Werbung und wird überwacht. Dann kann ich entscheiden.

Selbst grosse Firmen nutzen Open Source Frameworks (also Source Code, der meist kostenlos im Netz steht und den jeder nutzen und weiterentwickeln kann). Dabei lassen Sie jeden Gedanken daran vermissen, dass möglicherweise nur ein Entwickler diesen Code geschrieben hat. Dass dieser Entwickler vielleicht nicht so viel Wert aufs Testen gelegt hat oder sich nie vorstellen konnte, dass sein kleines Heimprojekt in grossen Applikationen der grossen Anbieter landet und dort 1 Millionen Mal pro Sekunde aufgerufen wird. Sie nehmen ihn, packen ihn in die eigenen Tools und verkaufen diese teuer. Aber wehe, es geht etwas schief.

Auftritt Log4j!

Log4j war in aller Munde. Ein Entwickler hat Opern Source Code geschrieben, der das Logging von Java Applikationen signifikant verbessert. Viele, sehr viele, wirklich sehr viele Firmen haben diesen Code in ihren Projekten und Produkten verwendet. Weil er einfach gut war und sich die Firmen so den Entwicklungsaufwand für etwas Gleichwertiges gespart haben. Dann hat ein Sicherheitsforscher einen Bug gefunden. Die grossen Techunternehmen und auch andere, die diesen Code jahrelang kostenlos verwendet haben, ihn selber mit ihren Produkten monetarisiert haben, schrien Zeter und Mordio. Wie kann jemand solche Lücken programmieren? Mit Hilfe der Medien haben Sie den Entwickler angegriffen und verunglimpft. Ich finde das ist eine Frechheit. Wenn sie schon kostenlosen Code verwenden, sollten sie ihn sich vielleicht wenigstens einmal kurz anschauen. Und anstelle den Entwickler zu diskreditieren, hätten sie ihm Geld und Hilfe zum Beheben des Produkts anbieten sollen.

Was empfindet Ihr Entwickler, wenn Ihr Werbung im Fernsehen oder auf YouTube seht? Wenn jede App, jede Webseite Euch Werbung einblendet, Euch trackt?

Daher appelliere ich an alle Entwickler: Wenn Ihr Code verwendet, der trackt, Daten sammelt, Eure potenziellen Kunden ausspioniert, überlegt es Euch. Gibt es nich ein anderes, datenschutzfreundliches Framework? Ist das Selberprogrammieren wirklich so viel mehr Aufwand? Könnt Ihr den Code nicht doch verwenden und diese Teile herausnehmen? Zumindest aber sorgt dafür, dass Euer Programm immer noch funktioniert, wenn man die ganzen Sammler mit nextdns, adguard, netguard, blokada, … blockiert. Ich war Entwickler, ich weiß wieviel Herzblut Ihr in die Entwicklung steckt. Ich bezahle Eure Apps, wenn Ihr mich nicht überwacht.