Mit Android abtauchen III: Manuell (widerspenstige) Apps löschen

Wenn Sie die Grundeinstellungen verändert haben, kann es sein, dass Sie zufrieden sind. Vielleicht aber denken Sie: Also wenn noch ein bisschen mehr geht, wäre das auch gut. Sie denken sich vielleicht: Da ist diese App (vielleicht Facebook, Youtube oder andere), die ich nie benutze, die beim Kauf vorinstalliert war und ich nicht will. Sie denken sich: Die kann ich deinstallieren. Bei manchen geht das auf herkömmlichem Weg, bei anderen nicht, weil die Firmen viel Geld bezahlen, damit die App auf Ihrem Handy permanent vorhanden ist. Manche haben Dienste, die auch weiterlaufen, wenn Sie sie deinstalliert haben. Und zu guter Letzt gibt es Dienste, da sehen Sie kein Icon oder eine App. Diese sind da, laufen im Hintergrund und bleiben verborgen. Das ist gut so, wären die alle sichtbar und jeder könnte sie einfach löschen, wären die Hilferufe laut und weit hörbar.

Mehrbenutzer-Modus

Was unter Android möglich ist, was bei iOS leider immer noch fehlt: Sie können mehrere Benutzer anlegen.

Unter ‚System-Mehrere Nutzer‘ können Sie einen Schalter aktivieren, der Ihnen erlaubt, mehrere Benutzer anzulegen. Zum Beispiel als Familienhandy. So kann jedes Familienmitglied sein eigenes Profil verwalten und die eigenen Apps nutzen, ohne dass ein anderer Nutzer auch nur irgendetwas davon sehen kann (ggf. ausgenommen Anrufe und SMS, siehe später).
Das ist die sog. Sandbox.

Der 1. Nutzer, der Standardnutzer, der Eigentümer, hat intern meist die Nummer 0. Der zweite Nutzer hat meist die Benutzernummer 10. Das wird gleich noch wichtig.
Zum Testen der hier vorgestellten Vorgehensweisen ist es sinnvoll, einen zweite Nutzer einzurichten, dort vielleicht ein paar Apps zu installieren, alles ansonsten normal zu lassen, wie vom Hersteller gewünscht, und dann zu sehen, was für Auswirkungen die unten vorgeschlagenen Aktivitäten haben.
Aber machen Sie sich keine Sorgen, nichts geht kaputt oder verloren. Sie löschen die Software auch nicht komplett aus dem Handy. Das sehen wir gleich.
Trotzdem möchte ich darauf hinweisen: Auf eigene Gefahr. Ich zeige hier an einem Beispiel mit einem Handy, was ich gemacht habe. Und genau deshalb sollten Sie es zuerst in einem anderen Benutzerkonto ausprobieren.

  • Aktivieren Sie den Schalter ‚Mehrere Nutzer verwenden‘. Klicken Sie auf das Pluszeichen ‚Nutzer hinzufügen‘. Lesen Sie den Text und wenn Sie fertig sind tippen Sie auf ‚OK‘.
  • Geben Sie nun den Namen des Nutzers ein.
  • Im nächsten Fenster können Sie direkt zu dem Nutzer wechseln, was Sie durch ein paar normale Abfragen führt, die Sie schon von der Erstinstallation kennen. Bevor Sie das tun, sollten Sie zuerst entscheiden, ob der neue Benutzer das Handy auch zum Telefonieren und Simsen verwenden können soll (dann sehen auch andere Benutzer die angerufenen Nummern) und ob er Apps installieren darf. Sie können ihn aber auch gleich wieder löschen. Erlauben Sie alles, damit Sie am besten testen können, wie sich die Einstellungen, die wir gleich vornehmen, auf Sie auswirken.

Bevor Sie sich dem Rechner zuwenden, von dem Sie das Handy für die nächsten Schritte steuern, müssen Sie das Handy in den Zustand versetzen, für Änderungen offen zu sein. Das nennt sich USB Debugging Modus.

Entwicklermodus aktivieren

  • Dazu gehen Sie auf dem Handy als „Originalnutzer“, also derjenige, der eben den zweiten Nutzer angelegt hat, in ‚Einstellungen-Über das Telefon‘ und suchen nach Build Nummer. Oftmals steht das ganz unten, aber nicht bei jedem Modell.
  • Auf diesen Text tippen Sie mehrmals (meist mindestens 7x). Es erscheint bei diesem Vorgang oftmals eine Meldung, dass sie gleich soweit sind, den USB-Modus zu aktivieren.
  • Wenn das erreicht ist, erhalten Sie die Meldung: ‚Entwicklermodus wurde aktiviert‘.

USB-Debugging aktivieren

  • Gehen Sie eine Stufe zurück in den ‚Einstellungen‘ und dann ‚System‘. Dort finden Sie nun einen neuen Eintrag: ‚{} Entwickleroptionen‘.
  • Gehen Sie in dieses Untermenü. Wenn Sie die Einträge anschauen, sollten Sie irgendwo in der Mitte der Liste den Punkt ‚USB-Debugging‘ finden. Aktivieren Sie dies durch Antippen.
  • Auf die Nachfrage, ob Sie das wirklich wollen tippen Sie auf ‚OK‘.

Da Android auf vielen Handys leicht anders aussehen kann, können Sie auch über die Suche in den Einstellungen gehen. Suchen Sie nach ‚Buildnummer‘.
Danach suchen Sie nach ‚Entwickler‘ oder suchen Sie nach ‚USB-Debugging‘.

Damit ist das Telefon offen für neues.
Wenn Sie es auf Ihrem Modell nicht so schnell finden, dieser Link zeigt für viele Modelle, wo Sie das genau einstellen können.

Jetzt müssen Sie leider etwas in die Technik auf Ihrem Rechner abtauchen. Nichts davon ist schwierig, Sie können den Beispielen einfach folgen. Aber Sie benötigen das Terminal (die Kommandozeile).

Sie müssen das Android-Handy mit einem USB-Kabel mit Ihrem Computer verbinden. Außerdem müssen Sie ein Tool installieren, damit Sie auf das Handy zugreifen können.

Software auf dem Rechner installieren

Auf Linux können Sie das Tool mit folgendem Kommando installieren (Ubuntu):

$sudo apt update && sudo apt install android-tools-adb android-tools-fastboot

Wenn Sie einen Mac verwenden und meiner Empfehlung, homebrew als Software-Manager zu verwenden, dann geben Sie im Terminal ein:

$brew install android-platform-tools

Auf Windows könnten Sie den Chocolatey Paketmanager verwenden. Dann geben Sie ein:

c:>choco install adb

Alternativ können Sie diesen Schritten folgen.

Wenn Sie die Software installiert und das Handy per Kabel angeschlossen haben, können wir den ersten Test durchführen. Geben Sie folgendes in der Kommandozeile ein (ab hier sind alle Befehle gleich):

$adb devices

Sie sollten alle Geräte sehen, die erkannt werden (also Ihr Handy). Beispielsweise:

List of devices attached
11281JEC202764 unauthorized

Wenn Sie das das erste mal ausführen, kommt noch eine Meldung, die Sie nicht weiter interessieren muss:

daemon not running; starting now at tcp:5037
daemon started successfully

Pakete und Dienste (de)installieren

Wenn Sie sehen wollen, welche Software-Pakete für den Standardbenutzer installiert sind, geben Sie folgendes ein:

$adb shell pm list packages --user 0

Erinnern Sie sich an oben, der User 0 ist der Standardbenutzer und Eigentümer.
Ich empfehle Ihnen ab hier, den zweiten Benutzer, den Sie oben angelegt haben, zu verwenden. Dann ersetzen Sie die 0 durch eine 10.

Je nach Modell kann es sein, dass Sie im Terminal eine Fehlermeldung erhalten:

adb: device unauthorized.
This adb server's $ADB_VENDOR_KEYS is not set
Try 'adb kill-server' if that seems wrong.
Otherwise check for a confirmation dialog on your device.

Wenn das passiert, schauen Sie auf dem Handy , ob Sie das USB-Debugging zulassen wollen. Tippen Sie auf erlauben und geben im Terminal den Befehl nochmals ein.

Die Liste ist lang.

Sie könnten jetzt einmal den Befehl dem –user 0 und einmal mit dem –user 10 eingeben und die Ausgaben vergleichen.

Wenn Sie alle Pakete sehen wollen, die den Namen „google“ enthalten, können Sie eingeben:

$adb shell pm list package --user 0 | grep google

Oder ersetzen Sie ‚google‘ durch ‚facebook‘ oder andere Namen, die Sie finden möchten. Nehme wir als Beispiel ‚aurora‘, das wir im letzten Teil besprochen haben. Dann zeigt Ihnen der Befehl:

package:org.codeaurora.ims
package:com.aurora.store

Unter Windows können Sie die Ausgabe mit ‚Select-String‘ in der Powershell ausführen.

Wenn Sie das entsprechende Paket gefunden haben, dann können Sie es löschen. Aber: Es wird deinstalliert und aus dem sichtbaren System genommen. Es wird aber nicht komplett von der Festplatte des Handys gelöscht. Das bedeutet auch, dass Sie es wieder installieren können, wenn Sie merken, dass Sie ohne diese Software nicht leben können. Wenn Sie die Software in der bunten Benutzerschnittstelle löschen (was nicht immer bei allen Apps geht, siehe oben), dann kann es immer noch passieren, dass Hintergrundprozesse laufen oder es nicht ganz entfernt wird. Das ist hier anders.
Wollen Sie beispielsweise YouTube vom Handy löschen, geben Sie folgendes ein.

$adb shell pm uninstall -k --user 10 com.google.android.youtube

Die Ausgabe lautet, wenn Sie alles richtig gemacht haben:

Success

Damit ist YouTube für den zweiten Benutzer gelöscht, aber nicht YouTube Music. Das sehen Sie durch die Eingabe von vorhin:

$adb shell pm list packages --user 10 | grep -in Youtube

Die Ausgabe sieht dann so aus:

241:package:com.google.android.apps.youtube.music

Denken Sie daran, für welchen Benutzer Sie das wünschen.

Wenn Sie nun merken, ohne YouTube geht es nicht, dann können Sie die App wieder installieren (alles in einer Zeile).

$adb shell cmd package install-existing --user 10 com.google.android.youtube

Die Ausgabe sieht dann so aus, wenn Sie die Liste der installierten Pakete überprüfen:

$adb shell pm list packages --user 10 | grep -in Youtube
8:package:com.google.android.youtube
242:package:com.google.android.apps.youtube.music

Wie Sie sehen, ist es installierbar, d.h. noch irgendwo vorhanden. In diesem Wissen können Sie jetzt beliebige Apps löschen, sehen was das für Sie bei der Benutzung bedeutet und im Zweifelsfall wieder installieren, wenn Sie es doch benötigen. Wenn beim erneuten installieren ein Fehler auftritt, können Sie die App auch aus dem Google Play Store neu installieren.

Sie können das YouTube Paket für den Benutzer auch deaktivieren. Dazu geben Sie für den Hauptnutzer folgendes ein:

$adb shell pm disable-user --user 10 com.google.android.youtube
Package com.google.android.youtube new state: disabled-user

Wenn Sie es wieder aktivieren wollen, kopieren Sie folgenden Befehl in die Kommandozeile:

$adb shell pm enable --user 10 com.google.android.youtube

Wenn Sie sich damit ein wenig vertraut gemacht haben und Lust daran bekommen, Datensammler rauszuschmeissen, können Sie Stück-für-Stück Google aus Ihrem Android entfernen. Ich empfehle Ihnen dabei, immer nur einen Dienst oder eine App zu deaktivieren und dann das Handy eine Zeit zu benutzen, bevor Sie den nächsten Dienst löschen. Denken Sie daran, das einige der Dienste dafür sorgen, das Ihr Handy piept, wenn eine WhatsApp, SMS oder neue Mail eingeht. Oder die Meldung in der Corona-Warn-App, dass jemand in Ihrem Freundeskreis positiv getestet wurde. Das fällt weg. Sie erhalten diese Infos nur noch, wenn Sie die App explizit öffnen oder wenn die App einen eigenen Mechanismus bietet, was wahrscheinlich 99% aller Apps nicht anbieten. Threema beispielsweise holt dann alle 15-30 Minuten die neuesten Nachrichten. Ich kenne mehr und mehr Menschen (mich eingeschlossen), die das mittlerweile gut finden nicht permanent in ihrer Aufmerksamkeit gestört zu werden. Ich hatte schon auf dem iPhone all die Benachrichtigungen deaktiviert. Auf meinem GrapheneOS hat mir daher nichts gefehlt. Ich entscheide, wann ich Emails lese und wann ich Nachrichten beantworte. Sie haben die Wahl.

Google Services und Apps

Hier ein paar Beispiele, die Sie ausprobieren können.
Google Services Framework: com.google.android.gsf
Dient dazu, die Google Apps und Apps aus dem Google Play Store automatisch zu aktualisieren.

Google Play: com.google.android.gms
Das sind die bekannten Google Play Services, ohne die beispielsweise die Corona-Warn-App aus dem Play Store nicht funktioniert (es gibt eine Version, die ganz wunderbar ohne Google funktioniert, aber die offizielle Version benötigt das).

Google Store: com.android.vending
Das ist der Dienst zum Installieren von Apps. Vorsicht!!!

Google Carriers: com.google.android.ims
Ein Service für Multimedia-Dienste über das Internet.

Google Speech: com.google.android.tts
Googles Text-to-Speech Service

Google Dialer: com.google.android.dialer
Dient zum Telefonieren. Vorsicht!!!

Der Rest sollte selbsterklärend sein.

Google Telemetry: com.google.mainline.telemetry
Google Photos: com.google.android.apps.photos
Google Maps: com.google.android.apps.maps
Google Calendar: com.google.android.calendar
Google Contacts: com.google.android.contacts
Google Messages: com.google.android.apps.messaging
Google Keyboard: com.google.android.inputmethod.latin
Gmail: com.google.android.gm
Youtube: com.google.android.youtube

Wenn Sie alle Google-Dienste löschen und Ihr Handy nutzen und immer noch zufrieden und glücklich sind, dann könnten Sie sich überlegen, doch auf ein Custom-ROM wie LineageOS oder GrapheneOS umzusteigen. Bei denen Sie auf Wunsch „Kopien“ der Google Services erhalten (die datensparsamer sind als das Original aber Google trotzdem anpingen) und somit einen Hybrid haben. Bei LineageOS heisst das microG und bei GrapheneOS ist es eine App (mehrere .apks), die Sie installieren.

Wenn Sie alles so haben, wie es für Sie am besten passt, sollten Sie den USB Debugging Modus wieder deaktivieren. Dazu gehen Sie wieder in ‚Einstellungen-System-Entwickleroptionen‘ und schalten es oben am Schalter aus.

Noch eine kurze Anmerkung. Wenn Sie das Gerät neu starten oder einen Upgrade auf eine neue Android-Version durchgeführt haben, kann es bei manchen Geräten dazu führen, dass manche Apps „wieder da sind“. Dann müssen Sie die Schritte erneut durchführen. Vor allem wenn Sie „disable“ anstelle von „uninstall“ eingegeben haben.

Der nächste Schritt wäre: LineageOS oder GrapheneOS zu installieren.