Gesichtserkennung mal anders

Was zum Teufel hat der Hollywood-Schauspieler Woody Harrelson in diesem Blog verloren?,

könnten Sie sich fragen. Habe ich mich am Anfang auch gefragt und er sich sicherlich auch (also nicht was diesen Blog angeht, den kennt er sicherlich nicht).

Wer glaubt, Gesichtserkennung ist super, da habe ich eine andere Meinung. Aber das hier hat was. Wenn auch anders als man vielleicht denkt. Eins nach dem anderen.

Da raubt jemand in einen Supermarkt ein paar Bier. Nichts Kritisches. Natürlich hatte der Supermarkt Überwachungskameras. Doch die Qualität der Bilder des Diebes waren schlecht. Zu pixelig, so dass die Ermittler in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden nichts fanden (das System heisst AFIS, Automated Fingerprint Identification System). Die Polizisten stellten fest, das der verpixelte Dieb grobe Ähnlichtkeit mit Woody Harrelson, dem Hollywood Star, hatte. Also nahmen die Polizisten hochauflösende Fotos von Woody Harrelson und ließen diese Fotos durch die Datenbanken laufen. Und siehe da, es gab Treffer. Nach Untersuchung der Treffer nahmen Sie tatsächlich jemanden fest. Aber nicht Woody Harrelson, der doch so gut gepasst hätte. Warum war er nie ein Verdächtiger?
In einem anderen Fall verwendeten Sie das Bild eines New York Knicks (Basketball) Spielers um die Daten bei einem Angriff in Brooklyn zu verifizieren.

So gut und wichtig und für Beweise geeignet ist also Gesichtserkennung. Ihre Unschärfe und Ihre Ungenauigkeit soll also helfen. Ich kann es kaum glauben.

Fassen wir zusammen: Wir nehmen einfach ein Bild, dass dem möglichen Täter irgendwie entfernt ähnelt, dann finden wir sicher Treffer und verfolgen diese „neuerdings Verdächtigen“. Was passiert, wenn Woody Harrelson der Täter ist? Wird er dann auch verdächtigt? Solange die Bilder verpixelt sind?
Hoffen Sie, dass Sie keinem Schauspieler oder Politiker oder sonst jemandem Bekannten ähnlich sehen. Und dass Sie keinem Kriminellen auch nur entfernt ähnlich sehen, sonst könnten sie auf eine Verdächtigen- oder gar Terrorliste kommen.

Wir sehen, die Gesichtserkennung ist alles andere als präzise und zu schnell können Sie anhand von aus meiner Sicht sehr wagen Informationen zu einem Verdächtigen werden.

Stellen Sie sich folgendes vor. Jemand, der Prof. Dr. Karl Lauterbach (musste ich nehmen, sehe ich jeden Tag ca. fünf Stunden im TV) entfernt ähnlich sieht, wird beim Kidnapping eines Mädchens mit einer Kamera aus dem Jahr 1998 fotografiert. Das Bild ist schwarz-weiss, verpixelt und da sich die Personen bewegen nicht sonderlich scharf. Aber irgendwie könnte das doch… Ach, probieren wir mal. Jetzt sind Sie zufällig jemand, der gerne eine Fliege trägt, schlank ist und auch dunkle Haare hat, also dem Prof. ein kleines bisschen ähnlich sieht. Sie stehen in den Datenbanken der Behörden, weil Sie als Student mal einen Joint geraucht haben. Zack, sind Sie im Netz. Hausdurchsuchung, Polizei in der Firma, Blaulicht vor dem Ferienhaus oder dem Kindergarten, wo Sie die Tochter abholen. Doch Sie waren es gar nicht und auch die Behörden finden das heraus, denn Sie sehen eher Prof. Dr. Henrik Streeck ähnlich, man kann sich ja mal irren. Was denken die Nachbarn, die Eltern der Kinder im Schwimmverein, wo Sie Trainer sind? Es gibt viele Beispiele, wo Menschen, die unschuldig waren, von der Gesellschaft trotzdem ausgeschlossen wurden. Obwohl sie nichts getan haben. „Nur weil es keine Beweise gibt, heisst das ja noch lange nicht, dass der unschuldig ist. Irgendwas wird schon dran sein.“ Und in diesem Fall nur, weil sie verpixelt sehr entfernt vielleicht einer öffentlichen Person ähnlich sehen, die auch nur entfernt einem potenziellen Kriminellen ähnlich sieht. Für mich zu viel Indirektion und „entfernt“.

Sind damit öffentliche Personen per se unschuldig? Werden sie vorher, müssen sie vorher gefragt werden (laut Artikel wurde Harrelson informiert)? Warum lässt man nicht viele Bilder von Menschen, „die ähnlich“ aussehen, durch die Datenbanken laufen? Einer wird es schon sein und so hat man mehr, als man sonst vielleicht am Anfang der Ermittlung hätte.

Schöne neue Welt der Digitalisierung.

The stakes are too high in criminal investigations to rely on unreliable — or wrong — inputs,” Georgetown researcher Clare Garvie wrote.
“It is one thing for a company to build a face recognition system designed to help individuals find their celebrity doppelgänger or painting lookalike for entertainment purposes. It’s quite another to use these techniques to identify criminal suspects, who may be deprived of their liberty and ultimately prosecuted based on the match.”

Übersetzung (deepl.com)

Bei strafrechtlichen Ermittlungen steht zu viel auf dem Spiel, um sich auf unzuverlässige – oder falsche – Eingaben zu verlassen“, schrieb die Georgetown-Forscherin Clare Garvie.
„Es ist eine Sache, wenn ein Unternehmen ein Gesichtserkennungssystem entwickelt, das Menschen dabei helfen soll, ihren prominenten Doppelgänger oder ein ähnliches Bild zu Unterhaltungszwecken zu finden. Es ist eine ganz andere Sache, diese Techniken zu verwenden, um kriminelle Verdächtige zu identifizieren, die aufgrund der Übereinstimmung ihrer Freiheit beraubt und schließlich strafrechtlich verfolgt werden können.“

Huffington Post🇬🇧