Privatsphäre und Covid-19

Im Zuge von Covid-19 wird immer wieder das Argument angeführt, man müsse den Datenschutz aufweichen, um das Virus zu bekämpfen. Die Argumente reichen von: Wir haben andere Grundrechte eingeschränkt warum dann nicht den Datenschutz? zu
Die Bürger geben alle ihre Daten an die Techkonzerne, dann können sie diese auch zur Pandemiebekämpfung geben.
Fangen wir mit dem Letzteren an. Ich gebe so wenig bis gar keine Daten an die Techkonzerne und versuche alles, damit das so bleibt. Dann in Sippenhaft genommen zu werden finde ich frech. Hinzukommt, dass die Regierung nichts dagegen tut, dass die Techkonzerne mit immer neuen Tricks und Technologien meine Daten abgreifen und ich mich nicht wehren kann, u.a. auch, weil die Regierung die Digitalisierung verschlafen hat und es keine oder nur wenige Produkte aus der EU oder gar Deutschland gibt, die keine Daten massenweise sammeln. Also soll ich für die Fehler der Politik auch noch in Sippenhaft genommen werden. Das ärgert mich zutiefst.
Doch bleiben wir ruhig und schauen uns das einfach mal an. Nehmen wir als Beispiel die Corona-Warn-App. Diese wunderbare App, die alleine die gesamte Pandemie auslöscht, wenn nur jeder diese App installiert und nutzt. Hm?
Es wurde uns versprochen, sie sei datenschutzkonform. Kann sein. Ich verstehe unter Datenschutz etwas anderes, als das mein Handy alle 20 min Daten an Google funkt, über die Play Services, die die App auf dem Android Handy angeblich benötigt. Spannend dabei nur, dass ein Entwickler die App so angepasst hat, dass sie ohne diese Services auskommt. Dazu waren die Telekom und SAP nicht in der Lage, oder war das vielleicht gar keine Anforderung? Ein paar Entwickler haben das bewerkstelligt. Beeindruckend! Gut, aber kann die App nicht wirklich helfen, die Nachverfolgungen besser in den Griff zu bekommen. Sehen wir das nicht an Singapur und Taiwan? Hm? In Singapur haben ca. 20% diese App installiert. Bis der Staat sie verpflichtend gemacht hat, so dass angeblich 80% sie installiert haben. So ziemlich alle Studien belegen, dass es mehr als 20% Benutzer benötigt, damit diese eine wirkliche Wirkung auf die Pandemie hat. Alle Staaten sagen ausserdem, dass die App nur im Zusammenspiel mit anderen Massnahmen, zum Beispiel des Testens und der Gesichtserkennung, in Singapur sehr weit verbreitet, gute Ergebnisse erzielt. Und mittlerweile hat Singapur auch klar gestellt, dass die Daten der Corona Warn App der Polizei auch für alles andere zugänglich sind.

2/3 aller Gesundheitsämter arbeiten mit Fax und Stift und Papier. Was sollen die mit den ganzen Daten anfangen, wenn alle Menschen die App nutzen, immer an haben und permanent an die Gesundheitsämter gemeldet wird? Nichts. Weil sie zum grossen Teil keine Infrastruktur dafür haben. Diese hätten wir im Frühjahr 2020 einführen müssen. Es gibt eine deutsche Software dafür, Sormas, die ist frei verfügbar, aber sie wird nur bedingt bis gar nicht genutzt. Daran hakt es, nicht am Datenschutz.
Ein anderes Beispiel, das immer wieder angeführt wird: Niedersachsen. Dort hätte eine externe Firma die Vornamen von Einwohnern verwenden müssen, um abzuschätzen ob jemand über 80 ist und diesen zu einem Impftermin einladen kann. Also Gertrud bekam einen Brief aber Kevin nicht. Warum gibt man sowas überhaupt an eine externe Firma, stellt sich mir die Frage. Möglicherweise weil die eine IT haben, die die Ämter nicht haben? Ich weiss es nicht. Aber das Beispiel ist lächerlich. Ein Einwohnermeldeamt hat diese Daten. Wir müssen uns in Deutschland anmelden, nicht wie in vielen anderen Ländern, und tun das auch. Wenn diese Daten natürlich immer noch in Leitz-Ordnern stehen und nicht in Datenbanken der Behörde, dann wird es schwierig. Die verschlafene Digitalisierung der Regierung soll dazu führen, dass wir unsere Datenschutzrechte und Privatsphäre aufgeben? Soweit kommt es noch.
Und machen wir uns nichts vor: Diese Lockerungen, würden nie wieder zurückgenommen. Die Regierung zeigt seit Jahren, dass sie den Datenschutz gerne immer weiter auflockern will. Siehe Herausgabe der Passwörter in diesem Blog, siehe Crypto-Wars in der EU, zwei Artikel in diesem Blog.