Politischer Samstag

Es gibt immer noch Menschen, die der Meinung sind, das passende Werbung doch etwas Gutes ist und ich nicht so „einen Aufriss“ machen soll.
Neben der Tatsache, dass ich immer noch der Meinung bin, ich entscheide was wer über mich wissen darf und der Tatsache, dass die Werte dieser Menschen nicht automatisch die Werte anderer sein müssen, sind die Gefahren sehr viel weitreichender als nur passende Werbung zu erhalten.
Die grossen Datensammler stehen über dem Gesetz, über den Staaten und sind nicht mehr kontrollierbar.
Was heisst aber gross?
In der Folge rede ich von AFAMA: Amazon, Facebook, Alphabet, Microsoft, Apple. Vereinzelt kommt Tesla oder Netflix dazu.
Andere reden oft von GAMA: Google, Apple, Microsoft und Amazon. Facebook fehlt und ich rede lieber über Alphabet als über seine Tochter, Google.
Das einzige, was sich auf dieser Welt genauso exponentiell entwickelt wie SARS-Cov2 sind die Aktienkurse der AFAMA, und damit deren Eigentümer, u.a. Bezos und Zuckerberg und deren CEOs und Investoren.
Ungefähre aktuelle Firmenwerte an der Börse (was machen schon ein paar Milliarden, wenn wir über Billionen reden):

Amazon$1,7 Billionen
Facebook$0,8 Billionen
Alphabet$1,4 Billionen
Microsoft$1,8 Billionen
Apple$2,3 Billionen
Big 5 und ihr Börsenwert

Apple war das erste Unternehmen, dass die Billion im August 2018 geknackt hat. Nach fast genau zwei Jahren sind wir bei 2 Billionen, im August 2020 in einer Pandemie, in der weltweit die Wachstumsraten gelitten haben. Um das in eine Relation zu stellen: Das ist derselbe Betrag wie der der deutschen Gesamtverschuldung (seit es Deutschland gibt) vor Corona und den ganzen Paketen. Stellt sich die Frage, was schneller wächst: Apple oder die deutsche Gesamtverschuldung?
Um noch einen Vergleich anzubringen: Die größten 600 europäischen Firmen sind mit $8,6 Billionen in etwa so gross wie diese fünf Firmen.
Man kann also mit Datensammeln wirklich Geld verdienen. Während man Apple und teilweise Amazon noch unterstellen kann, sie verkaufen auch Produkte und leben nicht nur von Werbung, gilt das eingeschränkt auch für Microsoft. Bei Google und Facebook jedoch sind die Umsätze und Gewinne rein Datensammelei-getrieben, auch wenn Google ein paar Handys und anderes Zeugs verkauft. Über 80% der Umsätze kommen aus Daten, wie ich schon erläutert habe.

Durch diese Unternehmen wurden auch einzelne Menschen reicher als Krösus sich das je vorstellen konnte. Bitte, bitte, bitte: Sie alle sind Risiken eingegangen, waren klug, oftmals rücksichtslos aber sicherlich sehr gute Geschäftsleute, die ein bisschen Reichtum verdienen, aber das:
Bill Gates, Microsoft: $135 Milliarden
Jeff Bezos, Amazon: $195 Milliarden (und das nach der Scheidung)
Marc Zuckerberg, Facebook: $100 Milliarden
Larry Page und Sergey Brin, Alphabet: $187 Milliarden
Steve Jobs von Apple ist leider tot, aber seine Frau ist ca. $20 Milliarden wert. Würde er noch leben, würde er sich nahtlos in die Reihe oben einreihen.

Halten wir inne und huldigen ihnen, gönnen ihnen das. Das ist doch einfach nichts anderes als Kapitalismus. Den wollen wir, den bekommen wir, also freuen wir uns mit ihnen. Sie haben es sich verdient.

Aber Geld ist Macht. Facebook droht Europa zu verlassen, Alphabet kämpft mit dem australischen Staat, da nimmt sich das permanente Lobbying der deutschen Verlage in Brüssel wie ein Kindergeburtstag aus.
Halten wir fest: Eine Firma legt sich gerade mit einem Staat der Grösse Australiens an. Und Facebook will es mit der gesamt EU aufnehmen. Noch ein paar Billionen und der Kampf wird noch unfairer.

Was diese Macht bedeutet sieht man überall. Innovative Firmen werden schlicht aufgekauft. WhatsApp, zur Erinnerung, war eine eigenständige Firma bevor Facebook sie schluckte. So auch Instagram. Fitbit wurde von Google gekauft und viele unbekannte andere.
Diese Firmen schaden der Innovation, auch wenn sie uns immer wieder vormachen, ohne sie gäbe es keine Innovation. Der erste Microsoft Browser in den 90er Jahren war eine gekaufte Firma. Und das einzig Innovative was uns Facebook und Google geschenkt haben ist das noch bessere, genauere Tracking aller Menschen auf diesem Planeten. Amazon hat eine fantastische Cloud und Apple geile Produkte. Das ginge wahrscheinlich auch ohne Datensammelei, aber dann wären sie vielleicht $3,50 weniger wert. Das geht gar nicht.
Google ist seit 2014 der größte politische Geldgeber, vor Goldman-Sachs. Insgesamt haben die grossen sechs (inklusive Tesla) $64 Millionen für Lobbying in den USA in 2019 ausgegeben.
Schon 2012 berichtet der Heise Verlag, das Google eine Rekordsummer für Lobbyarbeit ausgibt.

Jeff Bezos hat die Washington Post gekauft. Nicht Amazon. Jeff Bezos privat, er hatte wohl noch ein bisschen Porto übrig. Angeblich nimmt er keinen Einfluss. Aber er könnte und könnte so die Meinungen beeinflussen, mit unendlich grossem privaten Vermögen.

Sie werden immer grösser und damit wird es immer schwieriger, sie zu regulieren.
Schauen wir uns das Schrems II Urteil des EUGH an.

Ich habe seit dem Urteil bei den Datenschutzbeauftragten Beschwerden gegen Apple und Amazon anhängig. Seit Monaten habe ich von den Datenschützern nichts mehr gehört. Ich kann nicht mal ein Urteil des EUGH einklagen oder fordern. Die Gesetze sind ausgehebelt. Und die Politik schweigt.
Hat sich seitdem irgendetwas an der Datensammelei und des Versendens in die USA geändert? Nein. Sie berufen sich auf Standardvertragsklauseln. Aber selbst die bräuchten sie nicht. Sie müssen sich nicht an die Gesetze halten. Wer will wen wo verklagen? Grindr, ja, die müssen bezahlen. Vielleicht. Aber Facebook, Google, … Nein, müssen sie nicht. Und wenn sind die Strafen so gering, dass die aus der Portokasse bezahlt werden. Einmal musste Google 2,4 Milliarden € bezahlen, weil es seine Dominanz missbraucht hatte. Peanuts.

Mir stellt sich auch die Frage, warum derartige Monopole zugelassen werden?

Aber lassen wir das. Denn all das kommt uns doch zu gute. Diese Firmen bieten kostenlose oder günstige Dienste an, die es ohne sie nicht gäbe. Wer wollte da kleinlich sein? Und sie schaffen mit diesem Vermögen doch auch Reichtum für die Staaten, die damit Schulen, Krankenhäuser etc. bauen und auf dem aktuellsten Stand der Technik halten können. Durch diese Firmen sind die Straßen alle frisch geteert, Schlaglöcher gehören der Vergangenheit an.
Hm? Also wo ich wohne, ist das leider nicht so.
Diese Firmen vermeiden Steuern wie der Teufel das Weihwasser. Armeen von Steueranwälten und Steuerberatern durchforsten jeden Buchstaben der Gesetze um jede noch so kleine Lücke zu finden, um noch ein paar Milliarden zu sparen. Dagegen wirkt die Deutsche Bank wie Mutter Theresa.

Fairtaxmark hat berechnet, dass die grossen sechs (inkl. Tesla) über $100 Milliarden weniger in der letzten Dekade bezahlt haben, als sie es in den eigenen Bilanzen vorgesehen hatten. Da kann man die Korken schon mal knallen lassen. Verschieben von Gewinnen in Steuerbetrügerländer (eine Oase hat für mich eine positive Konnotation, daher kann ich das nicht schreiben), Lizenzen innerhalb der Unternehmen werden verschoben usw. Ich habe selber in einer Firma gearbeitet, die das auch ausgereizt hat. Und war tiefer involviert als ich zuerst dachte und dann wollte. Leider darf ich dazu nichts sagen.
Diese Methoden können die Firmen nur anwenden, weil sie so gross sind. Für kleinere Firmen rechnet sich das nicht. Also haben sie einen Nachteil gegenüber den Grossen. Das hindert die Innovation, zerstört Konkurrenz und vieles mehr.

Die Unternehmen zahlten $155 Milliarden weniger, als nach den Regelsteuersätzen zu erwarten gewesen wäre – Geld, das zur Finanzierung von öffentlichen Dienstleistungen und Infrastruktur auf der ganzen Welt hätte verwendet werden können.
Selbst der oberste Gott aller Finanzminister, Dr. Wolfgang Schäuble, den alle als Finanzminister verehren, hat in einem Interview ziemlich klar gesagt, dass man gegen diese Steuervermeidungspraktiken nichts machen kann, als Deutschland. Also entweder ist er nicht so gut, wie alle immer sagen oder er wollte einfach nicht. Nicht das Herr Scholz besser wäre. Sie finden zig Artikel im Internet, in dem lang und breit steht, das Dr. Schäuble internationale Steuerflucht bekämpfen wollte. Doch in einem Interview, zu dem ich leider keinen Link mehr habe, hat er eingestehen müssen, dass es nicht geht. Dazu braucht man eine internationale Koalition und alle müssen mitmachen. Frankreich hat das alleine gemacht.
Vielleicht will Deutschland das auch nicht, weil dann auch die deutschen Firmen massiv betroffen wären. Wer weiss.

Erinnern Sie sich noch, wie einige Unternehmer gejubelt haben, als Donald J. Trump die Unternehmenssteuer von 35% auf 21% gesenkt hat. Da die meisten Milliardäre ihre Einkommen aus Firmenbeteiligung beziehen, bezahlen sie jetzt weniger als eine durchschnittliche Lehrerin, die bei 28% liegt (Buch: Der Triumph der Ungerechtigkeit: Steuern und Ungleichheit im 21. Jahrhundert von Emmanuel Saez und Gabriel Zucman). Und alle, nicht nur die Unternehmer, haben gejubelt. Trickle down, jetzt werden auch die Friseurin und Lehrerin reich. Manche glauben das immer noch. Das die Einnahmen für den Staat irgendwo herkommen müssen, daran denken viele nicht. Und wenn nicht von den Unternehmen, weil die weniger bezahlen und das wenige noch in anderen Ländern, woher dann? Denken Sie nach, lieber Leser. Wer könnte das sein?
Die einzigen, die nicht gefeiert haben, waren die Techriesen. Warum? Die haben schon vorher viel weniger bezahlt.
Laut Fair Tax Mark:
Apple: 17,1%
Microsoft: 16,8%
Alphabet: 15,8%
Amazon: 12,7%
Facebook: 10,2%

Das ist in den USA, klar, die spinnen sowieso. Wieviel haben die in Europa bezahlt?
War da nicht was mit Apple und Irland? Richtig. Musste Apple bezahlen? Nein?

Facebook macht sich auch einen schlanken Schuh. €466.000 Einkommens- und Ertragssteuer. In 2015. Seitdem gibt es keine offiziellen Daten mehr. Laut Facebook entfielen in dem Jahr von den $4,3 Milliarden Umsatz $20,6 Millionen.

Amazon tut sich schwer damit, Steuern zu bezahlen.
Laut der EU hat Amazon von 2006-2014 in der EU auf 3/4 seines Gewinns keine Steuern bezahlt.

Hier ist sehr schön beschrieben, wie Google das hinbekommt mit den Steuern.

Auf Grund der Firmengeflechte der Unternehmen ist es unmöglich herauszufinden, wieviel Gewinne sie wo genau machen und wieviel Steuern dafür fällig wären.

Wenn Sie das nächste Mal über ein Schlagloch fahren, im Krankenhaus warten müssen oder sich über die Schließung eines Schwimmbads beschweren, dann denken Sie daran, dass Sie einen Teil daran mittragen. Denn der Bäcker von nebenan bezahlt seine Steuer in Deutschland.
Die Techgiganten, denen Sie Ihre Daten geben, weil alles damit so schön einfach und so toll ist und Sie ja sowieso nichts zu verbergen haben, bezahlen ihren Anteil nicht. Sie bezahlen weniger als die Friseurin oder die Kellnerin.