In eigener Sache: Teil 1: Dogmatismus

Ich führe ab und an und immer wieder dieselben Diskussionen. Daher möchte ich hier die typischen Aussagen und Fragen beantworten. Einiges oder vieles ist in diesem Blog an unterschiedlichen Stellen schon beantwortet, meiner Meinung nach, aber vielleicht macht es Sinn das hier nochmals zu wiederholen. Ich werde nicht wieder alles wiederholen, was ich unter Motivation, Gefahren und Mythen geschrieben habe, aber einiges scheint sich zu lohnen.
Let’s go.

Du hast einen Schaden.

Ja, das ist so. Seit einem Motorradunfall mit Koma danach kann ich dem nicht erfolgreich und überzeugend widersprechen.

Du bist so dogmatisch. Wieso bist Du gegen all das Datensammeln?

Ich bin dogmatisch. Und ich bin gegen all das Datensammeln. Aber nicht aus den Gründen, die Sie vielleicht annehmen. Facebook und Co. sollen alle Daten der Welt sammeln. Ich bin nur dagegen, dass Sie das hinter unserem Rücken tun. Dass sie es im Verborgenen tun. Der Aufschrei gegen Apples ATT (App Tracking Transparency) war doch ein Zeichen. Es ging nicht um Tracking oder nicht. Sie können immer noch tracken. Und sollen das auch. Der Unterschied ist jetzt aber: Nur, wenn Sie das erlauben. Auf einmal muss Facebook zeigen, was sie tun (ein bisschen wenigstens). Apple hat das transparent gemacht. Der Aufschrei von Facebook war ein Zeichen: Wir wollen weiter im Verborgenen bleiben und machen was wir wollen, ohne das der Nutzer das weiss.
Ich denke wir sehen uns als mündige Bürger. Und wir halten viel auf uns, weil wir uns für mündige Bürger halten. Wie können Facebook und Co. dagegen sein, dass Menschen sich bewusst für oder gegen Tracking entscheiden? Wieso w(s)ollen Sie als mündiger Bürger nicht bewusst entscheiden?
Dann sollen sich die Überwacher hinstellen und klar sagen: Unser Service ist nur kostenlos, weil wir alles über Euch erfahren und das an 345867 Firmen verkaufen. Wenn Ihr das nicht wollt, dann bezahlt 5,99€ pro Monat für den Dienst. Dann habe ich eine Wahl. Bisher hatte ich keine und das ist es, was mich nervt. Dieses „hinter dem Rücken“. Denn im Dunkeln kann man viel mehr Schweinereien machen als im Licht. Und das Licht meidet Facebook. Haben Sie mal die CEOs der Datensammler im Internet gesucht? Da finden Sie erstaunlich wenig über deren Leben, deren Privatsphäre. Warum wohl?

Noch ein Beispiel: Wenn eine Zeitung mir anbietet (wie es mehr und mehr ein bisschen geschieht):
Wir müssen unsere Journalisten bezahlen, die Server für den Betrieb der Webseite. Dafür benötigen wir Geld. Du kannst also bezahlen, wie für die Zeitung am Kiosk auch oder Du gibst uns Daten, die wir zu Geld machen können und über die wir das dann finanzieren. Wir werden Deine Daten (X, Y, Z) an drei Werbetreibende senden, die daraus Profile erstellen. Fair enough. Dummerweise finden sich auch Seiten, bei denen man bezahlt und die trotzdem tracken. Leider. Wie wäre es hier mit einem Lieferkettengesetz? Beispielsweise die Medien müssen sicherstellen, das Ihre Daten nur an maximal drei oder 300 Firmen zur Verwertung gegeben werden.

Also: Ich bin nicht gegen die Datensammelei. Ich bin dagegen, dass es keine Transparenz gibt. Sie sollen alle Daten abgeben, maximale Transparenz, aber die Sammler wollen im Dunkeln bleiben, wollen keine Transparenz von sich. Warum verlangen wir nicht dieselbe Offenheit, die sie von uns fordern, von ihnen?
Heute weiss ich nicht, wieviele Firmen meine Daten und Profile erhalten. Wo diese Firmen sitzen, was die wiederum mit den Daten machen usw.

Wenn Sie auf eine Webseite gehen, z. B. https://www.spiegel.de/, dann hat Digital Courage (aus einer Präsentation entnommen) herausgefunden:

  • ca. 380 Anfragen, 
  • davon ca. 10 an deutsche Server des Spiegel; 
  • insgesamt Anfragen an 65 externe Domains …
  • www.spiegel.de, cdn.prod.www.spiegel.de, sams.spiegel.de, spiegel-de.spiegel.de, sats.spiegel.de 
  • 8–15 MB; 58 Cookies, 28 von Drittanbietern 
  • Ladezeit ca. 15-30 Sek. + Nachladen ohne Interaktion und Scrollen

Wenn das transparent gemacht wird, dann würden viele wahrscheinlich sagen: Ja, das ist es mir wert. Aber alles von allen immer und überall, ohne Sinn und Verstand, ohne Erklärung, im Dunkeln, das stört mich. Vor allem wenn es wirklich um private Daten geht, wie Gesundheitsdaten oder sonstige Vorlieben.

Und zuletzt stört mich, wenn Gesetze gebrochen werden. Ausserdem: Wenn der CEO mit Krokodilstränen um Entschuldigung bittet und verspricht, dass das niemals mehr vorkommt und drei Wochen später ist es dann wieder so weit. Diese „Verarsche“, diese Lügerei, diese Verschleierung. Die nervt mich. Und die Tatsache, dass ich gegen diese Kriminellen mein Recht nicht einklagen kann. Dazu später mehr.
Ich bin dogmatisch, weil ich keine Wahl habe. Hätte ich eine Wahl, wäre das anders.