Update: Der Staat und sein IT-Sicherheitsverständnis

Wenn ich mir anschaue, was diese Regierung so an Kommentaren zu Datenschutz und Sicherheitsthemen abgibt, dann fällt mir nur noch sehr wenig zu deren Verteidigung ein. Neben der Tatsache, dass dieser Regierung selbst die von ihr selbst bestellten Experten widersprechen.

Wahlkampf

Wer wissen will, wie die Parteien zur Digitalisierung und Datenschutz stehen, dem kann ich diesen Artikel empfehlen.

Bundestrojaner

Sie können überwacht werden. Jederzeit, an jedem Ort. Ohne Anlass. Einfach so. Ohne Richter. Wie wenig und wie wenig kritisch das in den normalen Medien thematisiert wurde ist erschreckend. Eine Liste zu diesem Thema und was da so passiert finden Sie hier.

Ein paar Beispiele:

Die ausgetauschten Informationen hatten dem Bericht zufolge vor allem privaten bis „intimen“ Charakter. Die Online-Razzia habe der BND rechtlich „ohne Weiteres“ für durchführbar gehalten.

https://netzpolitik.org/2008/bnd-setzt-bundestrojaner-im-intimbereich-ein/

Datenschutz bremst uns

Es ist schon wirklich nervig, dass jeder Lokal-, Regional- oder Bundespolitiker ungefragt in jeder Talkshow und in jedes Mikrofon sagen darf, Datenschutz ist Mist und niemand fragt mal nach, was denn ohne Datenschutz wie helfen würde. Gerade in der Pandemie haben selbst kluge Köpfe, wie Prof. Nida-Rümelin in dieses Horn geblasen.

Einen schönen Kommentar hat Maik Kuketz dazu verfasst.

Doch jetzt ist Wahlkampf und es geht noch weiter.

Die hiesige Organisation der Aufsicht mit 17 Datenschutzbeauftragten sei einer der größten Bremsklötze bei der Digitalisierung, befand der digitalpolitische Sprecher der Schwesternparteien, Tankred Schipanski, am Freitag im Bundestag. Damit einher gehe Innovationsfeindlichkeit. Der Christdemokrat betonte: „Das wird es in Zukunft mit der Union nicht mehr geben.“

https://www.heise.de/news/CDU-Sprecher-Datenschutzstruktur-als-groesste-Bremse-der-Digitalisierung-6120303.html

Halten wir also fest: Die Union will keine Privatsphäre, keinen Datenschutz und will allen Firmen und Staaten weltweit erlauben, unsere Daten zu missbrauchen, unsere Privatsphäre zu ignorieren usw. Auch China, Russland oder Nordkorea. Die spinnen.

Den Grossteil des Webs sperren

Klingt komisch, ist aber nicht so.

Die Länder wollen Anbieter von Betriebssystemen etwa für PCs, Laptops und Handys dazu verpflichten, Jugendschutzfilter vorzuinstallieren und per Voreinstellung alle Webseiten zu blockieren, die nicht für unter 18-Jährige geeignet oder nicht mit einem Alterslabel versehen sind. Das beträfe die meisten Webseiten der Welt.

https://www.heise.de/news/Laender-wollen-Filter-in-allen-Betriebssystemen-Verbaende-laufen-Sturm-6116452.html

Damit können die Tracker gleich mal das Alter der Benutzer einsammeln. Und noch vieles mehr. Der Rechtsstaat soll digital abgebaut werden.

Innenministerium (oder besser: Digitallegastheniker)

Zu den Microsoft Exchange Lücken sagte die Bundesregierung auf eine Anfrage:

Die Anwender müssen stärker für das Sicherheitsthema, zum Beispiel bei Exchange Servern, Mailkommunikation oder Videokonferenzen, sensibilisiert werden. Dann klappt das schon mit der IT Sicherheit.

Podcast Computer & Kommunikation des Deutschlandfunk vom 27.3.2021

Deshalb stellt die Bundesregierung sage und schreibe 1,5 M€ für die Produktion von Flyern und Videos zur Verfügung. Erste Muster zum Beispiel zur Sicherheit im Homeoffice wurden stolz präsentiert.

Also nochmal: Die Fehler in der Exchange Server Software können verhindert werden, wenn wir, die Anwender, mehr über Datenschutz und Sicherheit wissen! Was für ein Unfug. Ich kann es gar nicht glauben für wie dumm die mich verkaufen wollen. Und regt mich zu der Frage an: Wieso gibt es an vielen Schulen (ich bin an einer aktiv und habe viel mit Kindern in anderen Bereichen zu tun) das Thema Medienkompetenz nicht? Wieso ist Digitalisierung an Schulen immer noch ein Thema? Wieso gibt es keine deutsche oder EU Software bei den Regierungen im Einsatz? Siehe nächster Absatz.

Doch das Bundesinnenministerium ist selber unüberraschend kurzatmig, auf die Frage, ob Sie bei den Videokonferenzen auf den Plattformen einen amerikanischen Dienstleisters abgesichert sind und Klarheit besteht, wohin die Daten abwandern. Die Antwort des Ministeriumssprechers auf eine Nachfrage:

Ich denke die Frage können wir Ihnen vielleicht im Nachgang beantworten.

Selber Podcast

Ist nicht passiert. Es gab keine Antwort auf diese Frage. Sie wissen es nicht oder sie wissen es und trauen sich nicht, es zu sagen. Unfassbar. Was für ein Armutszeugnis.

Hier die offizielle Webseite. Viel Spass damit.

Auch andere Fragen zu den Hafnium Hacks sind bisher unbeantwortet. Wenn Sie in Ihrer Suchmaschine Bundesinnenministerium und Hafnium eingeben, finden Sie keine Treffer, die beides beinhalten.

Cryptowars (mal wieder)

Parallel dazu treibt die Regierung das Thema Cryptowars voran. Sie will mit aller Gewalt verhindern, das Menschen sicher kommunizieren können. Laut Deutschen Grundgesetz, Paragraf 10:

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. 2Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

https://dejure.org/gesetze/GG/10.html

Das ist das deutsche Grundgesetz Deutschlands. Unsere Bibel. Entstanden nach der Hitlerzeit. Aus gutem Grund sind dort viele Teile sehr freiheitlich. Es war damals klar, einen Hitler und derartige Mechanismen darf es nie mehr geben. NIE MEHR. Doch dieser Regierung ist das herzlich egal.

Die neue e-Privacy-Richtinie soll Ausnahmen bekommen, damit im Datenverkehr nach Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch gesucht werden kann.

Zur Suche nach „Kinderpornografie“ will die EU-Kommission die gesamte private digitale Kommunikation automatisiert durchleuchten und im Verdachtsfall Strafanzeige erstatten lassen. Eine aktuell verhandelte EU-Übergangsverordnung soll Anbietern von E-Mail-, Chat-, Dating- und Messenger-Diensten dies erlauben, ein für Sommer angekündigter zweiter Gesetzentwurf der Brüsseler Exekutivinstanz soll dann alle Anbieter dazu verpflichten.

Heise Newsticker

Das geht nur, wenn Verschlüsselung nicht mehr erlaubt oder so geschwächt wird, dass es sie gar nicht mehr braucht. In der analogen Welt wäre das so, als wenn die Polizei einfach mal in Ihre Wohnung kommt, alles durchsucht, ob Sie Drogen haben, oder Kinder im Keller oder was weiss ich. Einfach so. Bei allen. Immer. Jeder Brief würde geöffnet, es könnte etwas Illegales drin sein, Fotos, Texte… Wir gehen gegen Corona-Beschränkungen auf die Strasse, aber wenn wir der digitalen Diktatur entgegen gehen, juckt das offensichtlich niemanden. Haben wir Deutschen vergessen, dass es mal die DDR gab? Haben wir vergessen wie es damals war? Haben wir im Westen uns nicht u.a. deswegen dem Land gegenüber für etwas Besseres gehalten? Ist das schon alles vergessen? Ich verstehe es nicht.

Und wen es interessiert:

Den Rechten des Kindes muss besonderes Gewicht beigemessen werden, aber sie können die Rechte und Freiheiten anderer nicht vollständig verdrängen.

Prof. Dr. Ninon Colneric, ehemalige EuGH Richterin🇬🇧

Dem kann ich nichts hinzufügen.