AirTags: Helfen Sie Kriminellen selbst ohne eigenen AirTag

Sie sind eifersüchtig auf Ihren Partner? Sie wollen eine Kollegin besser kennenlernen? Sie wollen wissen, wo dieser linke Politiker ist um Ihn mit Eiern zu bewerfen? Auch dafür hat Apple ein benutzerfreundliches Gerät.

Zusammenfassung:

  1. Wenn jemand Ihnen ein AirTag unterschiebt und Sie ein iPhone besitzen, hilft Ihr eigenes iPhone dem Angreifer Sie zu stalken.
  2. Wenn Sie ein iPhone besitzen und keine Vorkehrungen treffen, sind Sie teil des „Wo ist?“ Netzwerkes und helfen ggf. unwissentlich Kriminellen andere Menschen zu stalken.
  3. Sie können aktiv nach AirTags um sich herum suchen, dieses entschärfen und den Besitzer des AirTags finden und ihm die Ohren lang ziehen. Aber dafür müssen Sie Bluetooth aktivieren und ein iPhone besitzen.
  4. Wenn Sie ein Android Benutzer sind, haben Sie keinerlei Möglichkeiten das AirTag zu finden, ausser auf dem analogen Weg: Hand in jede Tasche des Rucksacks, der Hosen, der Laptoptasche etc. Erst nach drei Tagen der Überwachung werden Sie durch Pieptöne informiert.

Über AirTags wurde schon viel geschrieben. Die einen schreiben, dass Apple heilig gesprochen werden sollte, weil sie nun endlich ihre Schlüssel wiederfinden, andere verdammen Apple, weil man angeblich damit Leute stalken kann.
Ich wollte mit meinem Kommentar warten, bis ich meinen eigenen Tag hatte und den ausprobieren konnte. Wie bei allen praktischen Beispielen und Empfehlungen in diesem Blog schreibe ich nur über Software, Hardware und andere Themen, die ich selber ausprobiert habe.

Funktion

Das AirTag ist ein kleines Gerät das Bluetooth und NFC (Near Field Communication) an Board hat. Ausserdem besitzt es eine Standardbatterie, 2032, die ungefähr ein Jahr halten soll. Überraschend, dass man nach einem Jahr keinen neuen kaufen sondern einfach nur die Batterie austauschen muss. Fände ich bei iPhones auch gut.
Damit verbinden Sie es mit dem iPhone (Android wird nicht unterstützt). Apple installiert standardmässig auf allen iPhones die Wo ist? App. Damit können Sie Ihr iPhone, iPad oder andere Apple Geräte finden, wenn Sie nicht mehr wissen, in welchem Hotel Sie diese vergessen haben. Initial war das dazu gedacht, gestohlene oder verlorene iPhones zu finden und so das Stehlen von iPhones zu reduzieren.

Anwendungsfall 1: Intendierter Fall: In der Wohnung!

Finden der eigenen Schlüssel oder Taschen etc. in der Nähe.

Das ist der Fall den Apple im Kopf hatte. Sie haben den Schlüssel in Ihrer Villa verlegt und suchen ihn. Haben Sie am Schlüsselbund einen AirTag, dann öffnen Sie die Wo ist? App, wählen Ihren AirTag aus und die App zeigt Ihnen, wo der Schlüsselbund ist. Ausserdem können Sie das AirTag piepen lassen und so herausfinden, wo Ihr Schlüssel sich versteckt hat. Wenn Sie in der Nähe sind, hilft Ihnen die App sogar den Weg zu finden. Müssen Sie nach rechts oder links oder geradeaus gehen.

Anwendungsfall 2: Intendierter Fall: Ausserhalb der Wohnung!

Es passiert schon mal, dass man seinen Schlüssel, seine Tasche, sein Portmonee oder andere Gegenstände in einem Restaurant oder der Sporthalle liegen lässt und am Abend feststellt, während man vielleicht vor der Tür steht und nach seinem Haustürschlüssel sucht, dass der Schlüssel nicht da ist. Sie überlegen dann, wo um alles in der Welt, Sie den Schlüssel etc. wohl haben liegen lassen. Wenn sich in der Nähe des Schlüssels ein Mensch mit einem iPhone mit Standard-Einstellungen (dazu gleich mehr) befindet, können Sie den Schlüsselbund lokalisieren und abholen.

Anwendungsfall 3a: Partner tracken.

Stellen Sie sich vor Sie leben mit einem sehr eifersüchtigen Partner zusammen. Dieser hat Ihnen zum Geburtstag ein neues iPhone geschenkt über das Sie sich sehr gefreut haben. Diese Dinger sind einfach geil. Dieser steckt Ihnen einen AirTag ohne Ihr Wissen in den Rucksack. Sie gehen ins Büro oder wo immer Sie arbeiten. Abends gehen Sie noch mit Kollegen aus oder treffen sich mit einer Kollegin zum Absacker. Ihr Partner kann das verfolgen. Er kann sehen, wann Sie wo sind und somit Ihren Aufenthaltsort bestimmen.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie das gehen soll. Bluetooth und noch weniger NFC gehen maximal über einige 10m. Wenn Sie 10km ins Büro fahren gibt es keine Chance, dass Ihr eifersüchtiger Partner weiss, wo Sie sind. Also alles kein Problem.
Doch!

Denn das Geschenk hat wahrscheinlich, wie bei den meisten Menschen, alle Dienste wie Bluetooth, WLAN und GPS angeschaltet. Und somit sendet Ihr eigenes Telefon, das schöne Geburtstagsgeschenk, Ihren Standort regelmässig und wann immer Ihr Partner das sehen will, an diesen. Eine Komplettüberwachung.

Das geht auch ohne das AirTag, wenn Ihr iPhone die „Wo ist?“ App installiert und aktiviert hat und den Standort mit Ihrem Partner teilt. Das geht über das Telefon. Das Neue ist: Es reicht der Tracker. Aber das ist auch nicht so neu. Jeden Abend kommt der Partner heim und Ihr iPhone verbindet sich mit dem Tracker. Warum das noch wichtig wird kommt gleich.

Anwendungsfall 3b: Kollegen tracken.

Oder Sie arbeiten in einem Büro mit einem Kollegen, über den Sie gerne mehr erfahren möchten. Wie sprechen Sie ihn an? Am besten in dem Sie mehr über ihn und seine Hobbies etc. wissen. Also schmeissen Sie ihm den kleinen Tracker in den Rucksack. Damit können Sie herausfinden, wo er abends hingeht (vielleicht Kino, dann spreche Sie ihn auf den Film an; Fussballplatz, dann sprechen Sie ihn auf Fussball an; Bordell, dann sprechen Sie ihn gar nicht an). Das ist besonders interessant, wenn der Kollege ein iPhone hat, dass immer GPS, Bluetooth und WLAN aktiviert hat. Das sind übrigens die Standardeinstellungen bei neuen iPhones und die meisten Menschen deaktivieren diese nicht. So können Sie herausfinden wo Ihr Kollege wohnt, ist das eine gute oder schlechte Gegend. Über Apple Karten, Google Maps und Google Streetview können Sie sehen ob, es ein Mehrfamilienhaus oder eine Villa ist uvm.

Sie erfahren ob der Kollege regelmässig in ein bestimmtes Restaurant geht, dann gehen Sie da auch mal zum Essen hin oder heimlich in dunkle Ecken der Stadt. Hatte er nicht vor kurzem ein Veilchen? Oder Einstichstellen am Arm? War er ziemlich oft krank? Oder täuschen Sie sich nur? Ist ja auch egal, er hat sicher nichts zu verbergen.

Sie freuen sich über die Technologie. Denn jeden Tag im Büro verbindet sich Ihr iPhone mit dem Tracker und somit wird er nicht als Stalker-Tracker sondern als normaler Tracker erkannt. Doch was ist an Wochenenden? Auch da hat Apple vorgesorgt. Wenn der Tracker, der mit Ihrem iPhone verbunden ist, sich nicht regelmässig mit Ihrem iPhone verbindet, dann schlägt er Alarm. Dann piept er und Ihr Kollege hört das, findet den Tracker und kann ihn entschärfen. Doch halt, Apple hat mitgedacht. Die Zeit, bis das geschieht sind genau: Genau, 3 Tage. Also ein langes Wochenende kann problemlos vergehen, bis der Tracker merkt, er ist nicht mit dem eigentlichen Heimatphone verbunden und sich bemerkbar macht. Dann kann der Kollege das Gerät nehmen, auf eine Webseite gehen und sehen, wem der Tracker gehört (oder besser, mit welchem iPhone er verbunden ist) und Ihnen die Ohren lang ziehen.

Aber drei Tage lang können Sie sehen, was Ihr Kollege so treibt. Und da er weiss, wo Sie wohnen und Sie keinen zu grossen Garten haben oder im 20. Stock wohnen, kann er mal am Haus vorbeigehen, schauen ob sich der Tracker mit seinem iPhone verbindet und schon fangen die drei Tage von vorne an.

Sie denken vielleicht jetzt, aber Apple hat sicherlich Mechanismen eingeführt, um das zu verhindern. Ein bisschen.

Wenn Sie das AirTag mit Ihrem iPhone verbunden haben und die Verbindung dann verlieren, weil Sie den Tracker in den Rucksack von jemandem anderes gelegt habe und der getrackte auch ein iPhone hat und Ihr iPhone mit diesem anderen iPhone oft verbunden war, piept das iPhone des Getrackten weil das Risiko besteht, dass dieser Mensch mit dem AirTag getrackt wird. Ausserdem muss der Getrackte mit iCloud verbunden sein. Ich verwende iCloud nicht. Er muss Bluetooth aktiviert haben. Habe ich fast nie, weil ich es so gut wie nie benötige. Und die Objektsicherheitshinweise in der „Wo ist?“ App müssen aktiviert sein.

Das heisst, nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen werden Standard-iPhone-Benutzer gewarnt, dass sie getrackt werden könnten. Das ist problematisch.

Jaja, ich bin paranoid und das ist alles Mumpitz für die meisten Menschen. Und Sie haben ja sowieso nichts zu verbergen. Niemand hat etwas zu verheimlichen und jeder erzählt jedem zu Hause, im Büro und Verein absolut alles über sich. Es gibt aber auch andere Menschen und andere Fälle und ggf. helfen Sie Kriminellen und Stalkern. Lesen Sie weiter.

Anwendungsfall 4: Jemanden ohne iPhone tracken.

Stellen Sie sich vor da gibt es einen nicht so gelittenen Politiker, der vor allem bei Rechten Hassgefühle auslöst. Oder ein Mensch der Öffentlichkeit, Fussballer, Schauspieler, Richter, Staatsanwalt. Dieser unternimmt vieles, um seine Privatsphäre zu schützen, u.a. wo er wohnt. Er hat nicht mal ein iPhone, sondern ein LineageOS oder /e/ oder etwas anderes, was sicherer ist. Dann wird er nicht durch sein eigenes Handy getrackt, denn für Android hat Apple nichts im Angebot, aber durch die Milliarden iPhones der anderen, auch durch Ihres. Und er wird nicht von Apple gewarnt, weil er ja kein iPhone hat.

Hat seine Ehefrau oder sein Ehemann ein iPhone? Haben die Nachbarn in der Doppelhaushälfte ein iPhone? Viele Menschen verwenden iPhones weltweit und die meisten davon haben immer alle Services aktiviert, denn das ist viel bequemer. Dann kann ein Mafiaboss, ein Reporter, ein Terrorist, der diesem Menschen diesen Tracker untergeschoben hat, sehen wo dieser wohnt, wann er welche Route ins Gericht oder ins Parlament nimmt, wo er sich aufhält. Denn das grosse Netz der iPhones hilft dem Stalker, Terroristen, Mafia- oder Clanboss dabei, diesen Menschen zu finden.

Sie sitzen mit Ihren iPhone zufällig im selben Biergarten? Dann kann es sein, dass IHR iPhone dem Terroristen sagt, wo dieser Mensch jetzt gerade ist.
Und dieser so wichtige Mensch wird auch nicht gewarnt, weil dieser Dummkopf kein iPhone hat. Oder weil er eines hat, aber Bluetooth etc. deaktiviert hat, weil er ja nicht getrackt werden will. Aber das erledigen ja Sie und alle anderen iPhone Nutzer.

Ein Holländer hat das AirTag in einen Briefumschlag gesteckt, an sich selber adressiert, in den nächsten Briefkasten geworfen und dann alle paar Minuten überprüft, wo der Brief ist.

Apple hat versprochen hier nachzubessern.

Die schlechte Nachricht: Apple erlaubt es nicht, NFC systemweit für alles zu deaktivieren.

Was können Sie tun?

  • Wenn Sie kein iPhone haben und gefährdet sind:

Durchsuchen Sie Ihre Taschen regelmässig und verwenden Sie auf dem Android-Gerät einen Bluetooth-Scanner, beispielsweise LightBlue. Ein AirTag taucht meist als „Unnamed“ auf. Das muss aber kein AirTag sein, es kann auch ein anderes Gerät eines Nachbarn sein. Sie können sich die Details des Gerätes ansehen in dem Sie darauf tippen. Unnamed und ein Hersteller Apple sind ein gutes Indiz für einen AirTag. An der Zahl links unterhalb der Balken können Sie die Entfernung sehen. Wenn Sie bei -100 steht, sind Sie nahe dran.

  • Wenn Sie Sorge haben getrackt zu werden, weil Sie Ihre Pappenheimer kennen oder Sie sind gefährdet, und besitzen ein iPhone. Damit Ihr iPhone Sie nicht selber trackt:

Deaktivieren Sie „Wo ist?“ in den Einstellungen-Apple-ID-Wo ist?-Mein iPhone suchen-AUS
Deaktivieren Sie iCloud und Bluetooth (empfehle ich sowieso immer).
Wenn Sie ein AirTag finden, dann gehen Sie mit Ihrem iPhone nahe heran so dass NFC Ihnen die Seriennummer anzeigt und auf eine Webseite weiterleitet auf der ggf. der Besitzer zu kontaktieren ist.

  • Wenn Sie ein normaler iPhone User sind und nicht Terroristen, Psychopathen und anderen helfen wollen, Opfer zu lokalisieren:

Deaktivieren Sie Bluetooth wann immer Sie es nicht benötigen.
Das gilt auch für WLAN und GPS ohne Bezug zu den AirTags.

Aber seien Sie sich bewusst, Sie können sich dem nicht total entziehen. Wenn jemand Ihnen einen AirTag zusteckt und Sie im Bus neben jemandem sitzen, der ein iPhone mit Standardeinstellungen hat, dann werden Sie getrackt. Basta.

Wenn Sie einen AirTag finden, der nicht Ihnen gehört, nehmen Sie die Batterie heraus.