Digitalisierung der Privatsphäre

Der Toaster funktioniert nicht ohne App und einem Konto bei dem Toasteranbieter?
Ihr Kühlschrank geht nur an, wenn Sie das GPS des Kühlschranks aktivieren und ihm über das WLAN erlauben, den Inhalt des Kühlschranks an den Hersteller melden? Täglich?

Was ich in einer fünfteiligen Serie der nicht offensichtlichen Sammler und einem Artikel über einen Router beschrieben habe, ist bald für alles, was Strom benötigt, zu erwarten.

Sie werden in Ihrem Haushalt nur noch Geräte besitzen, die Daten über Sie sammeln und an Millionen Werbetreibende verteilen. Es werden keine Cookie-Banner aufpoppen und Sie darauf hinweisen. Es wird hinter Ihrem Rücken, ohne Ihre Zustimmung geschehen. Mit dem Kauf des Gerätes erklären Sie sich damit einverstanden. Oder Sie benötigen eine App, bei der der Datenschutzhinweis sowieso immer weggeklickt wird, weil die 60 Seiten keiner lesen will oder kann. Und selbst wenn Sie das tun, verstehen Sie, was da steht?

Saugroboter scannen heute schon Ihre komplette Wohnung und senden diese Informationen, manchmal auch mit Kamerabildern, an den Hersteller.
Es gibt heute schon eine Waage, die nur noch mit App und Konto das Gewicht anzeigt.

Oder nehmen Sie die aktuellen Bose Noise Cancelling Headphones 700. Bose ist bekannt für ihre exzellenten Kopfhörer, vor allem das Noise Cancelling (die Aussengeräuschunterdrückung) wird immer wieder gelobt. Ich verwende seit Jahren Bose Kopfhörer. Jetzt nicht mehr.
Was Bose hier vollführt blüht uns bei allen Geräten, die mit Strom versorgt werden.
Die Kopfhörer lassen sich nur sinnvoll nutzen, wenn Sie eine App von Bose herunterladen. Um diese App nutzen zu können, müssen Sie bei Bose ein Konto anlegen. Email-Adresse, Vor- und Nachname. Wer bisher meinen Blog gelesen hat weiss, das man da nicht so genau sein muss. Alias Email-Adressen sind eine gute Wahl für so etwas. Das scheint auch Bose zu wissen. Also verlangen Sie, dass Sie auf dem Handy den Standort freigeben. Bose will wissen, wo Sie sind, damit Sie den Kopfhörer vollumfänglich benutzen können. Nicht zu reden von den ganzen Trackern, die die Bose Music App installiert hat und die Daten über Sie sammelt.
Die ellenlange Datenschutzerklärung, die Sie genehmigen müssen, ist ein weiterer Beweis dafür, dass Bose an Ihnen als Datenlieferant mächtig interessiert ist.
Sie bezahlen 250€ für einen Kopfhörer, der nur richtig funktioniert, wenn Sie zusätzlich noch Ihre Daten abgeben. Der Geldpreis ist derselbe geblieben. Der Datenpreis ist unverschämt. Ich finde das, mit Verlauf, unglaublich. Übrigens erfahren Sie das von Ihrem Mediamarkt-Mitarbeiter nicht.

Heute haben wir noch die Wahl. Es gibt Firmen, die bieten Alternativen an.
Also alles nicht so schlimm, werden Sie sagen.

Ich muss ja kein Bose kaufen.“

Stimmt.
Noch.
Nochmals: Noch!
Langsam aber sicher wechseln die Anbieter ihre alten Produkte und ersetzen sie durch neue Modelle. Mehr und mehr bieten diese Modelle „digitalisiert“ an, um Ihnen die „bestmögliche“ Benutzererfahrung zu bieten.
Noch sind wir in dieser Umbruchphase. In ein paar Jahren werden Sie in vielen Bereichen keine Produkte mehr kaufen können, die keine Daten sammeln.
Die Fernseher, wie schon beschrieben, sammeln jetzt oftmals schon Daten. Aber was passiert, wenn Sie nur noch zwischen Fernsehern wählen können, die ALLE Daten nach China, Russland, Südkorea, die USA oder den BND schicken? Was, wenn Sie einfach keine Alternative zum Fön mit der Kamera haben, der Sie beim Fönen filmt und das zum Anbieter streamt?

Gehen Sie durch Ihre Wohnung oder Haus und schauen Sie sich jedes Gerät an, das irgendwie Strom benötigt. Und dann überlegen Sie sich, was es für Sie bedeutet, wenn dieses Gerät in naher Zukunft mit dem Internet verbunden ist und alle Daten, die es irgendwie sammeln kann und die Ihnen nicht mitgeteilt werden, in das Internet sendet. Können Sie sich darauf verlassen, dass nicht heimlich ein Mikrofon oder ein Kamera eingebaut sind? Wie bei Google? Werden die Daten an Firmen gesendet, die Sie vielleicht nicht kennen. Firmen, von denen Sie nicht wissen, was diese mit den Daten machen, an wen sie sie verkaufen und wie sie sie schützen?

Ich habe schon von der intelligenten Toilette gesprochen. Ihre Urinwerte werden gesammelt und dann vielleicht an die Krankenversicherung verkauft. Oder sind so schlecht geschützt, dass sie im Internet landen.
Jetzt fragen Sie vielleicht: Was bringt es den Sammlern, wenn sie das über mich wissen?
Das ist die falsche Frage. Wenn es den Sammlern nichts bringt, warum machen Sie es dann? Warum sammeln sie die Daten, investieren Zeit und Geld in Entwickler, um es zu tun? Wir wissen vielleicht nicht, was mit den Daten alles möglich ist. Aber seien Sie sicher: Wenn es gemacht wird, bringt es etwas.

Dann werden diese Daten mit anderen zusammengeführt. Urindaten von der Toilette und der Einkauf für Babykleidung oder das Rezept für die Apotheke für Nierenmedikamente.

Das ist teilweise heute schon der Fall. Was sich ändern wird: Heute können Sie eine alte Garmin Laufuhr kaufen, die auch ohne Konto bei Garmin funktioniert. Gebraucht. Aber in ein paar Jahren haben Sie diese Alternative nicht mehr. Dann wird jede Sekunde Ihres Lebens Daten sammeln, ins Internet senden und auswerten
Profile werden an Versicherer, Arbeitgeber, Behörden verkauft oder von diesen verkauft. Sie werden mit Ihrer Internetsuchhistorie verbunden, mit Ihren Standortdaten, mit Ihren Fotos und Videos, mit dem was Sie gegessen haben, gesagt haben und vielleicht laut gedacht haben. Sie werden 24×7 abgehört, gefilmt, bewertet.

Das ist die Digitalisierung. Und niemand wird Ihnen helfen. Niemand wird Sie schützen. Kein Gesetz kann das verhindern. Weil die Grossen jetzt schon so gross sind, dass sie sich nicht an Gesetze halten müssen. Und wenn, sind die Strafen aus der Portokasse bezahlbar. Apple ist heute über 2 Billionen Dollar wert. Mehr als die gesamte Staatsverschuldung, die Deutschland in seiner Geschichte angehäuft hat. In zehn Jahren werden sie mehr als drei oder vier Milliarden wert sein. Zu gross um reguliert zu werden. Mit jedem Euro höherer Bewertung sinkt die Möglichkeit, die Firmen zu regulieren und dazu zu bringen, sich an Gesetze zu halten.

Autokennzeichen werden auf den Strassen und in den Parkhäusern gescannt, Briefe werden auf Sender und Empfänger gescannt und in einer Datenbank abgelegt. An vielen Stellen (und es werden täglich mehr) werden Sie gefilmt. Die digitale Türklingel des Nachbarn nimmt Sie auf und streamt das ins Netz. Das war ausserhalb Ihrer Wohnung.

Der nächste Schritt, der voll im Gange ist, wird Sie in Ihren vier Wänden komplett überwachen. Alexa mit Echo, TVs, Putzroboter, Lichtschaltungen, Fernbedienungen, zeichnen das heute schon auf. Alles andere wird dazu kommen. Die Komplettüberwachung in Ihren vier Wänden. Das Recht an eigenen Bild im Freibad haben Sie schon verloren. Das unter Dusche kommt dazu.

Wollen Sie auch hier warten, bis es zu spät ist?
Was können Sie tun?

  1. Kaufen Sie heute Produkte von Herstellern, die das nicht verlangen. Nur so zeigen Sie, dass Sie das nicht so toll finden.
  2. Unterstützen Sie Vereine wie noyb und Digital Courage. Finanziell, mit Ihren Skills, psychologisch, egal wie. Am meisten bräuchten die Geld. noyb könnte viel mehr bewegen, wenn Sie mehr Initiativen starten könnten.
  3. Schreiben Sie Ihrem lokalen Bundestagsabgeordneten und sagen Sie, dass Sie ihn nicht wählen, wenn er sich nicht für Datenschutz einsetzt. Bekommt er das von vielen Menschen, wird er etwas tun.
  4. Schreiben Sie den Parteien, die im Wahlkampf sind. Wenn nicht jetzt, wann dann?
  5. Fangen Sie HEUTE mit Ihrem eigenen Datenschutz an. Wählen Sie Firefox mit den Add-Ons, wie beschrieben, verwenden Sie passende DNS, lassen Sie sich beim Handy helfen. Bitten Sie jemanden, GrapheneOS oder LineageOS auf Ihrem Handy zu installieren. Installieren Sie Firewalls wie AdGuard Pro, Little Snitch, AdAway, Netguard oder Lockdown Privacy. Installieren Sie in Ihrem Heimnetzwerk eine Firewall wie eBlocker. Verwenden Sie einen vertrauenswürdigen VPN.
  6. Kaufen Sie um die Ecke ein oder bei einem deutschen, datenschutzfreundlichen Online-Anbieter.
  7. Sagen Sie den Datensammlern Au-Revoir. Verlassen Sie Facebook, Instagram, Twitter und WhatsApp. Es gibt hervorragende Alternativen. Und wenn nicht, helfen Sie noch kleinen Alternativen, wie beispielsweise Threema, Okuna, nitter u.a.
  8. Verwenden Sie Bargeld. Banken sammeln mehr und mehr Daten. comdirect verwendet beispielsweise einige Tracker online und in der App und arbeitet intensiv mit Google zusammen. Damit setzen Sie ein Signal. Denn wenn das Bargeld abgeschafft wird, dann ist Ihre Privatsphäre keinen Pfifferling mehr wert.
  9. Lesen Sie das Buch NSA von Andreas Eschbach.