Werbungszahlen
Die letzten Tage habe ich Zahlen gesucht, um weniger Meinung anbieten zu können. Und bin fündig geworden. Ich bin sicher, es gibt noch sehr viel mehr Informationen und Zahlen im Web. Diese sind auch nicht ganz aktuell, 2018, aber stellen damit wahrscheinlich eine Untergrenze dar. Außerdem haben sich die Verhältnisse sicherlich nicht zu Ungunsten von Google und Co. entwickelt.
Die Webseite whotracks.me, betrieben und mit Daten gefüllt von der Firma Ghostery aus Deutschland, die verschiedene Datenschutz-Plugins für Browser liefert, hat die Zahlen bereitgestellt.
Daher hier nur ein kurzer Überblick für Ungeduldige. Für die Geduldigen: Es gibt eine Erklärung, woher die Daten kommen und ein White Paper über die Methodik.
Google Tracker sind bei 77% des gesamten Webverkehrs präsent. Damit ist Google bei weitem an meisten von allen Datensammlern vertreten. An zweiter Stelle steht Facebook, abgeschlagen. Ich leide mit ihnen.
Aber: 19% der Webseiten verwenden versteckte Facebook Tracking Pixel.
Ein Tracking Pixel definiert man im Onlinemarketing als grafisches Element, das in den Code von Webseiten, Onlinewerbung oder E-Mails eingebettet wird.“
Wikipedia
Heißt übersetzt: Sie gehen auf eine Webseite, das Pixel wird geladen und somit geben Sie darüber unbewusst und gegen Ihren Willen Daten ab. Legal? Wenn Sie mich fragen nicht.
Von 6000 der am meist besuchten Seiten (Ebay, Amazon, Microsoft, Google etc.) haben 1670 mehr als 10 Tracker pro Seite. Das heisst übersetzt: Auf eine Seite surfen, mindestens 10 Datensammler glücklich machen.
Und jetzt wird es spannend, denn Sie bezahlen diese Sammelei mit Ihrem Datenvolumen. Ich hatte in einem früheren Artikel schon erwähnt, das Google über 1.3TB (PDF) 🇬🇧 an Daten jeden Tag nur von Mobilgeräten in den USA sammelt.
Durchschnittlich senden Sie 12 MB an Daten pro Seitenaufruf, die von Trackern benötigt werden. Denken Sie bei Ihrem nächsten Mobilfunkvertrag daran, wenn Sie überlegen wieviel GB Sie benötigen und wieviel Sie dafür bezahlen, dass Sie damit einen Grossteil der Daten an Google senden.
Unter den Top 10 der am meisten verwendeten Tracker sind neun von Google und auf Platz acht liegt Facebook. Wenn deutsche Medienunternehmen anmerken, dass Sie sich ja über dieses Tracking finanzieren, seien Sie sich bewusst, es bleibt wenig bei den deutschen Firmen und viel bei den eben genannten hängen.
Dark Patterns
Eine Studie der EU erläutert:
97 % der beliebtesten Webseiten und Apps, die von EU-Verbrauchern genutzt werden, wiesen mindestens ein dunkles Muster (Dark Pattern, Anm. d. R.) auf, und die häufigsten waren (1) versteckte Informationen/falsche Hierarchie, (2) Vorauswahl, (3) durch nerven jemanden zum Klicken bringen (nagging, Übersetzung d. R.), (4) schwierige Stornierungen und (5) erzwungene Registrierung.“
EU Studie
97% der beliebtesten Webseiten und Apps. Noch Fragen, Kienzle?
Über Dark Patterns hatte ich schon geschrieben.
Ein Dark Pattern ist ein Benutzerschnittstellen-Design, das darauf ausgelegt ist, den Benutzer zu Handlungen zu verleiten, die dessen Interessen entgegenlaufen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Dark_Pattern
Sie werden also zu Handlungen verleitet, zu Käufen, zu Clicks, die Sie eigentlich gar nicht machen wollen. Ist alles Psychologie. Ich empfehle das Buch von Daniel Kahneman, Schnelles Denken, Langsames Denken. Selten war es so offensichtlich, wie empfänglich wir für sowas sind. Beispiel: Sie wollen ja auch den Cookies nicht zustimmen, aber Punkt 3 oben führt dazu, dass Sie es doch tun.
Nur hier fällt es Ihnen auf und Sie machen es meist bewusst.
Aber es gibt so viele andere Möglichkeiten, Sie zu manipulieren, die Ihnen nicht bewusst werden.
Weiterhin beschreibt das Dokument, dass diese unfairen Praktiken selten einzeln angewendet werden, sondern oftmals kombiniert.
Zu guter Letzt kommt die Studie zu dem Schluss, dass wir uns daran gewöhnt haben.
Denken wir jetzt noch an die Initiative der EU, unsere Kinder zu schützen, und darum alle EU Bürger voll umfänglich zu überwachen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, die Kinder vor diesen psychologischen Manipulationen zu schützen, denn die Kinder sind viel anfälliger dafür und gewöhnen sich schon in jungen Jahren daran. Doch dazu hören wir wenig.
Die Resultate der Studie, in Zahlen:
Die Ergebnisse zeigten, dass gefährdete Verbraucher (also Kinder und weniger technische und psychologisch affine Menschen, Anm. d. R.) im Allgemeinen eher inkonsistente Entscheidungen treffen (50,89 %) als durchschnittliche Verbraucher (47,24 %), wenn sie Dark Patterns ausgesetzt sind. Bei „versteckten Informationen“ war die Inkonsistenz der Präferenzen bei den durchschnittlichen Verbrauchern um 12,25 Prozentpunkte und bei den gefährdeten Verbrauchern um 5,80 Prozentpunkte höher. Bei der „Spielerei mit Gefühlen“ betrug dieser Wert 6,02 Prozentpunkte für den Durchschnittsverbraucher und 4,16 Prozentpunkte für den gefährdeten Verbraucher. Bei der Kombination von „Spiel mit Emotionen und Personalisierung“ schließlich lag die Inkonsistenz der Präferenzen beim Durchschnittsverbraucher um 9,84 Prozentpunkte und bei den gefährdeten Verbrauchern um 5,50 Prozentpunkte höher. In Bezug auf strukturelle Schwachstellen zeigten die Ergebnisse, dass einige Untergruppen der Bevölkerung eher zu inkonsistenten Entscheidungen neigen, wie z. B. ältere Teilnehmer und Personen mit niedrigerem Bildungsniveau (10 % Signifikanzniveau für beide Kategorien).“
EU Studie
Übersetzt und in Kürze:
Die Verwendung von Dark Patterns für zu anderem Verhalten beim Surfer. Egal, ob wir glauben, wir sind gegen Werbung und Dark Pattern Manipulation gefeit. Es wirkt. Auf viele Menschen. Sonst würden die Unternehmen es nicht machen. Wenn Werbung keinen Effekt hat, warum investieren so viele Unternehmen so viel Geld in Werbung? Wenn Dark Patterns nichts bringen, warum haben dann 97% der begehrtesten Webseiten diese Manipulation eingebaut?
Und weiter finden wir in dem 303 seitigen Dokument mit vielen Bildern und Tabellen:
Die mit diesen Überredungsversuchen verbundenen Risiken nehmen zu, wenn Online-Plattformen und Händler die umfassende Nutzung personenbezogener Daten mit Benutzeroberflächen kombinieren, die darauf ausgelegt sind, die Entscheidungsstruktur zu beeinflussen.“
EU Studie
Also Informationen über das Opfer und psychologische Manipulation erhöhen das Risiko Dinge zu tun, zu kaufen, anzuklicken, die wir gar nicht wollen.
83% der Menschen sind dagegen, dass Ihre persönlichen Daten so missbraucht werden. Wo sind die nur, frage ich mich manchmal.
Oder, wie heise.de vortrefflich formuliert:
Durch Dark Patterns werden in der Regel bestimmte menschliche Verhaltens- oder Wahrnehmungsmuster missbraucht und etwa Emotionen angesprochen, um Nutzer dazu zu verleiten, etwas im Internet zu kaufen oder einen bestimmten Link anzuklicken“
https://www.heise.de/news/EU-Studie-97-Prozent-der-populaersten-Webseiten-nutzen-Dark-Patterns-7125348.html
Wenn Sie das gesamte Dokument lesen, wundern Sie sich (oder auch nicht). Denn was dort beschrieben steht, ist ein Armutsurteil für die DSGVO und für die Gesetzgebung. Vieles dort beschriebene, die Datensammelei, der Umgang und das Teilen Ihrer Daten mit Gott und der Welt, werden dort beschrieben. Doch sollte das nur mit unserer Zustimmung geschehen, was, laut diesem Dokument, nicht so ist.
Der Einzelne gibt keine sinnvolle und bewusste Zustimmung zur Verwendung seiner Daten“
EU Studie
Übrigens: Die Überschrift der Studie fängt so an: Behavioural study on unfair commercial practices …
Verhaltensstudie über unlautere Geschäftspraktiken …