In eigener Sache: Teil 5: Es ist zu spät!

Man kann eh nichts gegen das Sammeln der Daten machen.

Verantwortung delegiert. Natürlich kann man. Handy aus, Internet abbestellen und schon haben Sie es. Das ist natürlich für die meisten nicht praktikabel und für mich auch nicht. Wenn ich sehe, wie sehr mein LineageOS mich schützt und wie wenig Einschränkungen ich dadurch habe, dann finde ich schon, das ist klasse. Und da Sie mittlerweile Handys mit Datenschutz vorkonfiguriert kaufen können, ist der Aufwand lediglich, sich an ein neues Handy mit neuen Icons zu gewöhnen. Da ist der Umstieg von Windows auf Mac oder Linux oder umgekehrt grösser. Wahrscheinlich ist es unmöglich gänzlich unüberwacht zu überleben. Ich habe in der IT Security einer Bank gearbeitet. Dort galt eine goldene Regel. Die hiess nicht: Wir brauchen die höchste Sicherheit aller Banken. Sie hiess: Wir brauchen die zweit schlechteste.

Angreifer und Datensammler wollen mit wenig Aufwand einen hohen Nutzen. Machen Sie es Ihnen nur ein bisschen schwerer, werden sie sich ein leichteres Opfer suchen. Das gilt auch für die Profilerstellung der Datensammler. Ein Profil mit vielen Daten wird öfter verkauft, verteilt, neu zusammengestellt, angereichert und man bekommt einen besseren Preis dafür. Ein Profil mit rudimentären Daten, die kein schlüssiges Bild ergeben werden weniger verkauft, aggregiert usw. Das sind Rückkopplungskreisläufe. Wo viel ist wird es mehr. Wo wenig ist weniger.

Ich habe schon so viele Daten abgegeben, da ist es jetzt auch egal. Es ist zu spät.

Es ist niemals zu spät. Sie können sofort aufhören, Daten abzugeben. Sie können damit Ihr Profil immer uninteressanter machen. Wenn die letzten gültigen Daten zu Ihnen drei Jahre alt sind, dann werden die Überwachungsfirmen weniger dafür bezahlen, dadurch werden insgesamt weniger Werbetreibende Ihre Daten kaufen, sie werden weniger angereichert und irgendwann sind Sie nicht mehr interessant. Denken Sie an Ihren Arzt. Oder ich denke zumindest an meinen. Letztens hatte ich Werte, die mein Arzt nicht erklären konnte. Weil die Werte der letzten zehn Jahre davor alle anders waren. Nur auf Grund dieser Historie konnte er einschätzen, dass die Tests möglicherweise fehlerhaft waren. So ist das hier auch. Wenn zu bestimmten Themen über Sie auf einmal keine Daten mehr da sind, wir das Profil über sie schwächer. Siehe oben.

Das ist doch alles Quatsch, mit meinen Daten kann doch nichts passieren.

Ein Bekannter von mir wurde gehackt. Das volle Programm. Social Engineering, Malware, Phishing usw. Er wurde angerufen, angeblich von seiner Bank, der Anrufer wusste erstaunlich viel über ihn und sein Privatleben und hat somit eine Vertrauensbeziehung aufgebaut. Hätte er nicht zufällig mich dazu befragt, hätte er wahrscheinlich einen grösseren Betrag weniger auf seinem Konto. Und es wurden nur Daten verwendet, die Sie und ich hinlänglich als nicht privat bezeichnen würden. Wenn Sie jemand anruft, der das Geburtsdatum Ihrer Tochter kennt (aus Facebook), den besten Freund (Nickname in der Kontakte App), Ihre Arbeitsstelle (LinkedIn), Ihr Kfz-Kennzeichen (Instagram Foto) usw. dann werden Sie diesem eher vertrauen als wenn Sie jemand als Frau XXY anspricht, Sie aber ein Mann sind. So war das früher bei Phishing Mails. Die waren so unpersönlich und schlecht ins Deutsche übersetzt, dass sie nicht sonderlich erfolgreich waren. Aber mittlerweile sind die so gut, dass sie wirklich glaubhaft wirken. Es stimmt eigentlich alles in der Mail. Ich muss mir immer wieder bewusst machen: Erwarte ich eine Email von dem und mich bewusst dazu zwingen, den Mailabsender, den Link usw. zu untersuchen, bevor ich antworte oder klicke, weil die so gut geworden sind.

Was glauben Sie denn, warum die Hacker öffentliche LinkedIn Daten abziehen? Weil die nichts bringen, weil man damit keinen Schaden anrichten kann? Weil man diese nicht gewinnbringend verkauen kann? Wohl kaum.

Ausserdem sind diese Daten über Wähler sehr erfolgreich zu Wahlmanipulationen benutzt worden. Es gibt genug Beweise dafür. Damit wird u.a. die Demokratie gefährdet. Aber die ist sowieso nicht mehr so in, denke ich manchmal. Des Weiteren hebeln diese Unternehmen die Rechtsstaatlichkeit aus. Mal eben das Washington Post kaufen oder MGM? Oder innovative Start-ups? Diese Firmen machen Fortschritt und Innovation kaputt. Sie sind so reich, und damit einige wenige Menschen, dass die sich an keine Gesetze mehr halten müssen. Sie als Verbraucher und Nutzer haben keinerlei Möglichkeiten Ihr Recht gegen die Grossen einzuklagen. Die Schrems-Urteile haben nichts geändert. Und weil das so ist, unternehmen die meisten Nutzer nichts. Ich kann nicht gegen Apple oder Google klagen, habe ich probiert. Aber ich kann meinen Teil dazu tun, deren Businessmodell zu kannibalisieren.

Und zu guter Letzt:
Jahrelang galt im Kapitalismus der Glaube: Wettbewerb ist gut. Und es gibt das Kartellrecht. Wo, bitte schön, sind die Kapitalismusfanatiker der FDP und der Union und setzen sich genau dafür ein. Denn Google, Microsoft, Apple, Facebook und Amazon sind Monopole. Diese lassen mehr und mehr die Muskeln spielen. Mit jedem Bit, dass Sie denen geben, werden deren Muskeln grösser. Ein kleines Land wie Malta hat keine Chance gegen die Grossen. Facebook hat sich mit Australien angelegt. Und auch der EU gedroht. Werden die immer grösser, dann wird auch Deutschland bald zu schwach sein (selbst wenn es eine Regierung gäbe, die sich um Gesetze kümmern würde, okok das wird nie passieren), sich zu wehren. Übrigens: Siehe FIFA. Die haben auch so viel Macht, dass sie sich alles leisten können.