eBook Reader
Wenn Sie weiter durch Ihr Haus gehen, sehen Sie vielleicht auf dem Tisch einen Kindle oder Kobo e-Reader. Als ich meinen ersten Kindle gekauft habe, konnte ich mir nicht vorstellen, wie ein e-Reader mich tracken könnte. Ich habe meine Bücher bei Amazon gekauft und über das WLAN heruntergeladen. Ich habe gelesen, während ich mit dem Netz verbunden war, habe Textstellen annotiert, Vokabeln nachgeschlagen und manchmal auch gesehen, dass andere Leser Textstellen markiert hatten. Nett. Bis ich zufällig auf einen Beitrag von Prof. Harald Lesch gestossen bin, der das fast in einem Nebensatz erwähnt hat. Also fing ich an, mich zu informieren.
Am Beispiel eines Kindle möchte ich zeigen, was hier passiert und wie Sie das eindämmen können, wenn Ihnen das zuviel ist. Eine Anmerkung: Sie haben dem zugestimmt, als Sie das Gerät aktiviert haben:
- Log Files des Gerätes
- Alle Zeiten, wann Sie das Gerät nutzen, ausschalten, einschalten usw.
- Wie stark die WiFi oder Mobilverbindung ist
- Eine Abschätzung, wo Sie das Gerät benutzen (durch WiFi oder Funkmasten)
- Alle WiFi und Bluetooth-Verbindungen
- Die Sprache, die auf dem Gerät eingestellt ist
Bis hierher sind das alles ganz allgemeine Informationen über Sie, wie sie jedes Gerät und jede Software mehr oder weniger versucht zu erlangen. Zusätzlich zeichnet Amazon aber noch für immer die folgenden Informationen über Sie auf:
- Alle Bücher, die Sie mit dem Gerät gekauft haben
- Alle Bücher, die Sie auf dem Gerät auch tatsächlich gelesen haben, wo Sie Pausen gemacht haben, ob Sie es zu Ende gelesen haben usw.
- Alle Bücher nach denen Sie auf dem Gerät gesucht haben
- Die letzte Seite jeden Buches, dass Sie auf dem Gerät gelesen haben
- Alle Anmerkungen, Kommentare und andere Aktivitäten pro Buch, die Sie vorgenommen haben
- Ihre Lesegeschwindigkeit
Keine grosse Sache, ob Amazon nun weiss, wie schnell Sie lesen oder welche Bücher Sie gesucht haben. Aber vielleicht haben Sie heute Bücher gelesen, die eine Regierung in zehn Jahren oder ein Land, in das Sie auswandern möchten, als illegal einstuft. Der Druck von „Mein Kampf“ ist im Original in Deutschland verboten, nur editierte Auflagen sind erlaubt. Und es ist nicht so wichtig, ob Dinge legal oder illegal sind. Die Moral ist wichtig und ob das ein oder andere Interesse von Ihnen von den Behörden als überprüfungswürdig eingeschätzt werden. Heute oder in Zukunft. Denn es geht nie wieder weg. Vergleichen Sie einfach mal 1925 mit 1935 oder 1985 mit 1995. Das sind jeweils zehn Jahre, in denen sich für Deutschland alles geändert hat. Aber ich bin auch paranoid.
Die Daten werden möglicherweise von Amazon mit den Behörden geteilt. Und wenn nicht heute, dann vielleicht bald. Jedes Jahr erlässt die deutsche Regierung neue Gesetze, die den Rechtsstaat und die individuelle Freiheit einschränken. Auch wenn ich mich wiederhole: Daten, die einmal im Netz sind, gehen nicht weg und werden x-Mal kopiert und verteilt. Daher seien Sie vorsichtig. Wenn Sie zu Recht oder Unrecht für ein Verbrechen angeklagt werden, kann der Staat Ihre Lesehistorie einsehen. Sind Sie in einer Trennung und es geht um das Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht, sind Sie ein Richter, der in einem Fall islamistischer Gewalt urteilen muss, könnten Bücher, die Sie gelesen haben, zu Indizien gegen Sie werden. Interessieren Sie sich als Biologe für den Anbau von Cannabis und haben wegen zweier Kühlschränke und anderer Stromsauger eine etwas höhere Stromrechnung? Verdächtig. Auch Journalisten, die über Rechtsradikalismus lesen kommen so ggf. in den Geruch, selber rechtsradikal zu sein. Diese Beispiele sind keine Theorie. All das ist schon mal so oder so ähnlich passiert.
All die oben genannten Daten erhält Amazon, wenn Sie das Gerät über WiFi oder Mobilfunkt mit dem Internet verbinden. Können Sie das einfach sein lassen? Wie kommen Sie dann an die Bücher. Und da Sie die Bücher sowieso bei Amazon kaufen, weiss Amazon ja doch Bescheid, also was soll es.
Es gibt eine Lösung, falls Sie z.B. Journalist sind und nicht wollen, das jemand weiss, was Sie lesen und recherchieren.
- Kaufen Sie einen neuen Kindle im Ladengeschäft und bezahlen bar oder lassen Sie sich einen zu Weihnachten schenken. (Nur dann sind Sie sicher. Ein bekanntes Gerät hat schon viele Ihrer Daten an Amazon gesendet). Wenn das nicht geht, legen Sie ein Postfach an, dass nicht mit Ihrem Namen nach aussen verbunden ist.
- Erzeugen Sie ein neues Konto bei Amazon unter einem wie auch immer gearteten Alias. Dieses Konto ist nur für Kindlebücher, ggf. nur für Bücher die Sie für den Rest Ihres Lebens als kritisch betrachten.
- Kaufen Sie eine Guthabenkarte bei Aldi, Lidl oder anderen.
- Laden Sie das neue Konto mit dieser Karte auf.
- Wenn Sie bei Amazon einen neuen Kindle kaufen, bezahlen Sie diesen mit der Guthabenkarte und lassen ihn an Ihr Postfach liefern. (nicht empfehlenswert)
- Registrieren Sie diesen Kindle mit dem neuen, nicht auf Sie zurückführenden Konto. Verwenden Sie Aliase. Anonymer Kindle, anonymes Konto bei Amazon.
- Stellen Sie sicher, dass Sie beim Anschalten des Geräts ausserhalb eines öffentlichen und passwortlosen Netzwerks sind. Auch Ihre Nachbarn könnten Gastnetzwerke ohne Passwort verwenden. Vorsicht! Sonst baut der Kindle sofort eine Verbindung auf.
- Schalten Sie den Kindle ein und stellen sie ihn sofort auf Flugmodus. Diesen verlassen Sie nicht mehr, nie mehr.
- Wenn Sie jetzt das oder die gewünschten Bücher mit Ihrem Alias Konto kaufen, wählen Sie bei Amazon unter Senden an: Übertragung per Computer.
- Eine Datei mit der Endung AZW landet so auf Ihrem Computer (wie Sie sicherstellen, dass auch dieser von Amazon keine sinnvollen Daten über Sie erheben kann, kommt später). Verbinden Sie Ihren Kindle über ein USB-Kabel mit dem Computer. Der Computer zeigt den Kindle wie eine externe Festplatte an. Kopieren Sie die Datei in den Ordner „Documents“ und trennen Sie den Kindle. Jetzt können Sie das Buch ohne Überwachung lesen.
Ein kleiner Hinweis: Es gab Bücher, die konnte ich nicht so laden. Es wurde beim Kauf eine Datei FSDownloadContent erzeugt, die der Kindle nicht lesen konnte. Nach drei Gesprächen mit dem Kundendienst blieb nur die Lösung, das Gerät mit einem WiFi zu verbinden und das Buch zu lesen. Es scheint so, als wenn Amazon den Weg des Nicht-Getrackt-Werden-Wollens damit sukzessive verlässt. Jedoch konnte ich durch eigene Versuche folgendes erreichen:
Sie können die FSDownloadContent Datei in Titel.azw3 umbenennen und dann auf den Kindle kopieren. Und es ist lesbar. Infos zum Buch etc. gehen nicht, aber Sie können es lesen.
Das Herunterladen und speichern hilft aber noch auf eine andere Art und Weise. Die Bücher, die Sie bei Amazon kaufen (kaufen, nicht leihen), gehören Ihnen gar nicht. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Buch im Thalia gekauft, sind dann aber nicht dazu gekommen es zu lesen. Ein paar Monate oder Jahre später sehen Sie es im Schrank stehen, schlagen es auf und wie von Geisterhand sehen Sie: Nichts. Sie dürfen das Buch nicht mehr lesen. Thalia hat die Lizenzrechte nicht mehr und daher darf kein Kunde, der das Buch rechtlich korrekt erworben hat, es lesen, wenn er es bei Thalia gekauft hat. So kann Ihnen das bei Amazon und Kindle-Büchern passieren. Denn Sie erwerben bei einem e-Book kein Eigentum, wie bei einem Buch aus Papier, sondern nur die Nutzungsrechte. Wollen Sie beispielsweise bei Amazon alle Ihre Konten löschen, dann kann es passieren, dass Sie alle Bücher verlieren. Um das zu verhindern, können Sie die Bücher entweder von Amazon herunterladen, wie oben beschrieben, oder die Bücher vom Kindle auf Ihren Rechner kopieren, den Sie ja immer und regelmässig sichern (dazu mehr später).
Zu guter Letzt: Wenn Sie den Kindle immer nur im Flugmodus betreiben, bekommen Sie auch keine nervige Werbung angezeigt. Amazon weiss lediglich, dass ein Max Mustermann einen Kindle besitzt, der diese Bücher kauft, aber sie haben Ihren Namen nicht, Ihre Bankdaten nicht und können auch keine Werbung schalten.
Ich bin mir bewusst, dass dieser Weg für viele nicht gangbar ist. Es ist bequem, die Bücher mal eben auf das Kindle zu laden. Es ist bequem, wenn man ein Buch von einem neuen Autor gelesen hat, im Urlaub, gleich das nächste über das Hotel-WLAN zu laden und weiter zu lesen. Ich habe das damals genossen, genau das ist mir passiert. Doch Sie geben eine Menge an Daten an Amazon. Sie wissen am besten, ob das für Sie so in Ordnung ist. Aber nun haben Sie keine Ausrede mehr, jetzt wissen Sie Bescheid.