Open Source datenschutz-freundliche Software wird weniger

Die kostenlosen und datenschutzfreundlichen Apps FairEmail und NetGuard werden nicht mehr weiterentwickelt.

Wie der Entwickler auf seiner Homepage schreibt:

All my projects have been terminated after Google falsely flagged FairEmail as spyware without a reasonable opportunity to appeal. There will be no further development and no more support.“

Homepage NetGuard

Was heißt das konkret für Nutzer? Die Apps werden für eine Zeit noch weiter funktionieren. Es gibt keine Fehlerbehebungen des Entwicklers und keine Anpassungen, zum Beispiel an neue Android Versionen. Ändert Google eine Schnittstelle, die die Apps benötigen, kann es passieren, dass sie nicht mehr funktionieren.

Beide Apps sind Open Source. Es besteht Hoffnung, dass ein anderer Entwickler das übernimmt. Garantien gibt es keine.

Immer öfter sterben Projekte, die sich den Datenschutz auf die Fahnen schreiben. Warum? Ich sehe drei Gründe:

  1. Die Entwickler erhalten immer wieder Mails oder Kommentare, die negativ bis beleidigend sind. Kritiker vergleichen die Software mit Produkten von Apple, Google oder Microsoft. Firmen, die mit X00 Entwicklern, Designern und Anwälten Produkte entwickeln können. Viele freie Software (dazu gehören zum Beispiel auch Linux oder der Kern von Android) ist meiner Meinung nach funktional gleichwertig aber nicht immer so „polished“. Die Entwickler schreiben den Code oft als Hobby in ihrer Freizeit. Sie sind Techies, nicht alle verstehen Anwender, die keine Ahnung von IT haben. Sie müssen sich um schwierige Kommentare oder schlechte Bewertungen kümmern. Das lässt niemanden auf Dauer kalt.

    Aktion: Ich schreibe ab sofort etwas häufiger positive Kommentare an die Entwickler oder in die Communities. Kostet mich keinen Euro und nur ein paar Minuten.
  1. Die Entwickler sehen, dass 100.000 Menschen die Software herunterladen, aber nur drei spenden. Diese typisch deutsche „Geiz ist geil“ Mentalität scheint weltweit verbreitet zu sein. Was ein „guter“ Grund dafür ist, warum wir lieber unsere Menschenrechte aufgeben, als 1€ für Software zu spenden. Schliesslich ist die Software von Google und Apple ja auch kostenlos. Nur eben besser. Leider aber eben auch demokratiegefährdend, überwachend uvm.
    Wenn der Entwickler das sieht und sich dann noch die Kommentare durchließt fragt er sich zurecht: Warum, zum Teufel, tue ich mir das an?

    Aktion: Ab sofort werde ich jede Woche einen „Latte Macchiato“ an ein Projekt spenden. D.h. ich spende jede Woche 5€ an ein Projekt, das Datenschutz im Fokus hat. Dazu muss ich bestimmen, was mir das Wichtigste ist.

    Diese Woche: GrapheneOS. Wenn es das nicht mehr gäbe? Ich wäre verloren. Stock Android und iOS sind für mich nicht mehr möglich. Da würde ich fast lieber einen alten Klotz von Nokia aus den 90ern holen. Leider haben die GSM, was an vielen Orten nicht mehr unterstützt wird.

    Brauchen Sie andere Tips: eBlocker, Standardnotes, Patrick Wardle für seine Objective-See Tools, AdAway, Lockdown Privacy, oder, wenn Sie das nicht können oder wollen, Vereine, wie noyb, Digital Courage oder der Blog von Mike Kuketz.
  1. Google ist kein Freund von alternativer, datenschutzfreundlicher Software, wie die Webseite des Entwicklers von NetGuard und FairEmail zeigt. Auch heise berichtet darüber. Andere Software ist gefährdet, weil Google etwas nicht passt. 

Dieser letzter Punkt zeigt ein viel grösseres Problem, dass leider von vielen ignoriert wird:

Wir wollen wie blöd digitalisieren. Sind dabei aber von ein paar wenigen, amerikanischen, Firmen abhängig. Mobilgeräte laufen zu 99% mit Stock-Android von Google oder iOS. Apps von Firmen wie der Bahn oder dem Staat sind nur in den Stores der beiden erhältlich. Noch gibt es Webseiten, die dieselbe Funktionalität anbieten. Ich gehe davon aus, dass das immer weniger wird. Außerdem muss ich zugeben, dass auf einem Handy eine Webseite, die Funktionen bietet und nicht nur zum Lesen ist, nicht annähernd so bequem zu nutzen ist, wie eine App.
Mit den Apps werden die Menschen mehr oder weniger gezwungen, Daten abzugeben, an amerikanische Firmen und von dort… Auch China und Russland bekommen Daten. Ob Sie wollen oder nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Apps nicht nur nicht datenschutzfreundlich sind, sondern auch noch gegen die gängigen Gesetze verstoßen, wie beispielsweise die DB Navigator App.

Die Corona-Warn-App war ein Zeichen, das viele abgetan haben. Wer die offizielle Corona-Warn-App auf einem Android Handy haben wollte, gab automatisch alle 20 Minuten Daten an Google ab. Obwohl das nicht nötig gewesen wäre, wie ein paar Entwickler sehr eindrucksvoll bewiesen haben.

Auf dem Desktop herrscht Microsoft. Über die Telemetrie haben viele Verlage geschrieben. Microsoft nutzt ganz sicher seine Muskeln, wenn es in Verhandlungen darum geht, ob man eine lokale Lizenz ohne Cloud für Office verwendet oder nicht. Schliesslich ist Office von Microsoft ein Quasimonopol.
Es gibt Initiativen des Bundes (und einiger Kommunen), davon wegzukommen, am bekanntesten ist wohl Limux (Linux in der Münchner Verwaltung), aber ob und bis wann das kommt? Ich denke da eher an Berlin Airport oder Gaia X.

Wir haben durch den Krieg erfahren, was Abhängigkeit bedeutet. Es benötigte einen Krieg, um etwas zu ändern. In allen anderen zukunftsweisenden Technologien wie 6G (5G ist ein alter Hut), Digitalisierung, Militär uvm. sind wir von anderen auch abhängig. Fast 50% des Umsatzes macht VW in China. Wenn das keine Abhängigkeit ist.

Außerdem hat Google gezeigt, wie Apple in der Vergangenheit auch schon, dass sie entscheiden, welche Apps in den App Store kommen und welche nicht. Sie zensieren also. Selbst wenn etwas beispielsweise in Deutschland legal ist, können die beiden es aussperren, was sie auch tun. Wollen wir amerikanischen Firmen die Hoheit darüber geben, was moralisch erträglich ist und was nicht? Oder chinesischen Firmen? Oder russischen?

Wenn ich aktuell an die Abtreibungsdiskussion in den USA denke, oder an die Fake News von D. J. Trump, dann erher nicht. Für mich.

Ich wäre für einen europäischen App Store, nach europäischen Gesetzen und Regeln, reguliert. Doch bei Regulation von Apps etc. denkt die EU leider nur an Überwachung der Bürger. Siehe „Chatkontrolle„. Nicht von amerikanischen Großunternehmen.

Das macht mir alles keine Hoffnung.