State of the Union

Wow, im Moment ist viel los, was das Ignorieren und Verhindern von Menschenrechten angeht.

Es ist jetzt zehn Jahre her, das Edward Snowden uns gezeigt hat, was die Regierungen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten halten. Zum Jubiläum hat der Guardian mit ihm gesprochen. 

Die Überwachung vor zehn Jahren ist Kindergarten gegenüber dem, was heute läuft.“

https://www.theguardian.com/us-news/2023/jun/08/no-regrets-says-edward-snowden-after-10-years-in-exile

Was soll ich mehr dazu sagen? Er hat Recht.

Mit dem Aufkommen von mehr und mehr künstlicher Intelligenz, immer mehr Daten, die wir gezwungener Massen abgeben müssen (und wenn nicht, dann wollen, weil es so bequem ist), ist die kommerzielle und staatliche Überwachung immer perfekter geworden. Mit der Chatkontrolle und anderen Initiativen stehen weitere Aktivitäten bevor, die uns zum vollständig gläsernen Bürger machen. Ohne Privatsphäre. Kein Wort, keine Bewegung, kein Gedanke wird mehr privat sein. George Orwells 1984 ist ein Kindergarten gegen das, was wir schon haben und was wir noch vor uns haben. Das Schlimme dabei ist: Die meisten von uns finden das gut. Für mich ist das so, als würden wir die Stasi oder die SS gut finden. Oder Stalin, oder Pol Pot oder was auch immer. Nach dem zweiten Weltkrieg hat Deutschland in Jahrzehnten und unter Einsatz vieler mutiger Menschen einen wirklich guten Rechtsstaat geschaffen. Den wir jetzt, wissentlich und willentlich, in ein paar Jahren zerstören. Was wird, wenn unsere Daten einer Partei wie der AfD oder noch schlimmer in die Hände fallen? Was, wenn unsere Gespräche zu Hause, Videos im Schlafzimmer oder unter der Dusche im Internet kursieren? Alles schon passiert. Nicht Ihnen. Daher, was soll es? Und was ist, wenn diese Daten (noch) nicht im Internet kursieren, aber wir nicht sicher sein können, dass unsere intimsten Momente nicht von anderen missbraucht werden? Oder die Privatsphäre unserer Kinder? Ich verstehe beim besten Willen nicht, wieso das so vielen Menschen so furchtbar egal ist. Sind wir so phlegmatisch und abgestumpft? Haben wir uns ergeben? 

Da es mit der Datensammelei immer weiter geht, hier ein paar Informationen, was gerade so läuft.

Alles über uns wird gesammelt, ausgewertet und eingesetzt, um uns zu manipulieren oder zu überwachen oder beides. Am besten beides. Damit wir Dinge kaufen, die wir nicht brauchen, nicht wollen, die überteuert sind und für die wir uns verschulden. Aber natürlich auch medizinische Daten, politische Daten und viele andere persönliche Daten. 

Auf einem öffentlich zugänglichen Webserver lag einfach so eine Excel-Datei. Sie beinhaltet die Angebotsliste des Werbenetzwerks Xandr, das Microsoft letztes Jahr gekauft hat. Von wegen Microsoft will nur Windows und Office verkaufen. Diese Datei beschreibt, wie Kunden individuell, mit personalisierten Nachrichten und sehr persönlichen Informationen angesprochen werden sollen und beschreibt Segmente, in die Kunden fallen.  

… enthalten sind quasi alle Kategorien, die laut der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als besonders sensibel gelten. Also etwa Informationen über medizin- und gesundheitsbezogene Themen, ethnische Zugehörigkeit, politische Überzeugungen und psychologische Profile. Beispielsweise können Werbetreibende etwa gezielt Personen ansprechen, die oft Kits für Schwangerschaftstests kaufen, sich für Gehirntumoren interessieren, anfällig für Depressionen sind, bestimmte Gotteshäuser besuchen oder sich ‚leicht entmutigt‘ fühlen.“

https://www.heise.de/news/Spionierende-Werbung-Datei-mit-650-000-Zielgruppen-Segmenten-aufgetaucht-9181621.html

Übersetzt: „Wenn Du ein medizinisches Leiden hast werden wir das missbrauchen. Wir wollen damit Geld verdienen, uns ist es egal, was das für Dich bedeutet. Unsere Investoren wollen Geld sehen. Vergiss Deine Gesetze, Dein Menschenrecht, Deine Privatsphäre. Unser Geld ist wichtiger. Deine Regierung stimmt dem zu, denn sie unternimmt nichts. Im Gegenteil, sie fördert uns mit dem Digitalisierungswahn. Digitalisierung first, Bedenken second. Also halt den Mund und liefere weiter Daten.“

Wen interessiert es? Wir setzen die DSGVO sowieso nicht um.

Xandr ist eine US-Amerikanische Firma, die dürften ohne unsere Zustimmung die Daten nicht haben und auch nicht verkaufen. Egal. 

Der Finder dieser Datei wird damit zitiert: „Kein Mensch kann damit rechnen, dass alle Informationen über das eigene Verhalten bei hunderten Firmen landen.“

Doch, das ist seit Jahren so, ich berichte seit Jahren darüber. Alles, was wir im Internet an Daten abgeben wird irgendwann öffentlich. Und alles wird ausgenutzt.

Wir denken, meist nur für Werbung. Das stimmt natürlich nicht und selbst wenn, wäre es schlimm, denn auch wenn wir denken, Werbung beeinflusst uns nicht, ist das schlicht falsch. Die folgenden Links bestätigen das.

Das ist nur die legale, oder nicht kriminalisierte Seite. Was glauben Sie, was Kriminelle mit all den Daten anfangen? Welchen Schaden sie anrichten. Ransomware-Angriffe, Erpressung, uvm. Mit Ihren Daten unterstützen Sie Kriminelle, Ihnen, Ihrer Familie, Ihren Freunden und Ihrer Firma zu schaden. Sie schädigen die Demokratie und den Rechtsstaat. Aber wer braucht das schon?

Außerdem werden die Mega-Firmen immer mächtiger und die Konzernlenker immer reicher. Das ist nicht demokratieförderlich. Aber hey, es ist bequem, und wer will schon Demokratie.

Sollten Sie trotzdem ein Interesse haben herauszufinden, was die Datenhändler über Sie wissen, hier ein wunderbarer Link mit Anleitungen.

Selbst Gesundheits-Apps haben massive Lücken. Gerade Menschen mit Krankheiten, vor allem psychischen, sind stark gefährdet. Manipulierbar. Aber was soll‘s, die meisten Menschen werden nie krank und nur Loser bekommen Depressionen. Glauben Sie nicht? Ich meine die Aussage! Doch, genau das hat mein damals noch bester Freund zu mir gesagt, als ich einen Burnout hatte. „Wer einen Burnout bekommt ist für diese Arbeitswelt nicht geeignet.“ Danke. Ehemals bester Freund.

Manche denken auch, naja, in der Politik ist das in Deutschland alles anders. Eine Studie dieser Fake-News verbreitenden Universität Oxford, die also, mit dem katastrophal schlechten Ruf (Achtung: Zynismus), hat einen Bericht in englisch veröffentlicht:

Computational Propaganda in Germany: A Cautionary Tale

Auf Deutsch also: Computergestützte Propaganda in Deutschland: Ein abschreckendes Beispiel

Die AfD ist übrigens die aktivste Partei in sozialen Netzen. Und da mehr und mehr Deutsche ihre Informationen aus den sozialen Netzen beziehen, ist das vielleicht eine Erklärung für die guten Umfragewerte der AfD. 

Dann ist da noch die Lösung aller Probleme, das Allheilmittel gegen alles: Krieg in der Ukraine, Klimawandel, Demokratie-Verdrossenheit und alle anderen Probleme: Die künstliche Intelligenz. 

Worüber wenig gesprochen wird: Wieviel Strom und wieviel Daten braucht die KI?  Außerdem: Wie hängt KI mit Überwachung und dem Überwachungskapitalismus zusammen?

Auftritt Meredith Whittaker von der Signal Stiftung, der Stiftung die den sicheren Messenger Signal herausgibt und betreibt. Ein sehr lesenswertes Interview zu Datenschutz, Privatsphäre, Chatkontrolle und KI.

Neben diesem Interview hat sie auch noch die Keynote auf der re:publica gehalten. In einer Kolumne auf netzpolitik.org gibt es einen sehr schönen Kommentar dazu. Es geht um Bequemlichkeit. Und da stimme ich der Kolumnistin voll und ganz zu. 

Es war Bequemlichkeit, uns von russischem Gas abhängig zu machen. Wir dachten, das ist billiger und bequemer. Home Run. Doch wir sehen, dass es langfristig teurer wird und wir die Bequemlichkeit doch aufgeben müssen (oder in der Abhängigkeit bleiben), wenn wir noch einen Rest an Ehre und Würde behalten wollen. Nicht zu reden von Glaubwürdigkeit.

Mit der Digitalisierung läuft das genauso. Die staatlichen Behörden sind abhängig von Microsoft. Die Deutsche Bahn von Amazon Web Services. In den nächsten Monaten und Jahren werden wir abhängig von den drei grossen KI-Anbietern sein. Wie Microsoft vormacht, drehen diese bei Abhängigkeit gerne am Preis. Wenn unsere Systeme abhängig von den KIs der Anbieter sind, wird dasselbe passieren. 

Auch die von der Regierung angekündigte Bundescloud läuft letztendlich auf Microsoft Azure. Ist also bei weitem nicht unabhängig. Wann haben Sie das letzte Mal von dem Leuchtturmprojekt GaiaX gehört?

Die von T-System vermarktete „Sovereign Cloud“ baut auf der Cloud von Google auf.

Wir begeben uns in die Abhängigkeiten und wenn wir drin sind zucken wir mit den Schultern und sagen: Kannste nix machen. Mit jedem Tag, mit jeder App, mit jedem Handy das von Apple ist oder Android enthält, mit jeder Webseite, die Google oder Facebook Tracker enthält, begeben wir uns tiefer in diese Abhängigkeit. Bis der grosse Knall kommt. Tja, da kann man nichts machen.

Dann werden wir wieder nach dem Staat rufen. Weil wir Deutschen meist unfähig sind, Verantwortung für unser eigenes Handeln zu übernehmen. Ein Haus kaufen ja, die Versicherung dafür bezahlen nein. Dann kommt eine Katastrophe und der Staat soll zahlen. Geht es noch?

Tja, da kann man wohl nichts machen.

Doch! Kann. Jeder. Von. Uns. 

Wenn wir wenigstens ein bisschen die Bequemlichkeit aufgeben. Man muss ja nicht gleich auf Linux umsteigen oder GrapheneOS installieren.

Das Samsungs Galaxy S23 hat 4x mehr Daten auf dem Handy als Google. 25 GB, bei Google sind es 6 GB. Die Systempartition ist 60 GB. D.h. für Benutzerdaten bleiben auf einem 128 GB Modell gerade noch mal 60 GB. Die 60 GB werden mit sog. Bloatware aufgefüllt. Das ist Software, die nicht eigentlich zum System gehört, die das System „aufbläht“. Diese Software können Sie nicht so einfach löschen. Oftmals ist es Software, die Sie nicht nutzen. Setzen Sie ein Zeichen und kaufen nächstes Mal ein anderes Handy.

Ist es zuviel verlangt, in Chrome oder Firefox uBlock Origin zu installieren?

Ist es zuviel verlangt, bei den Cookie-Bannern kurz zu schauen und alle abzulehnen?

Ist es zuviel verlangt, nicht das ganze Adressbuch mit allen Daten der Freunde und Familie hochzuladen, weil einem diese Menschen wichtig sind?

Aber Sie benötigen doch YouTube, werden Sie jetzt sagen. Dann verwenden Sie invidious. Da finden Sie alle YouTube Videos, nur ohne die Tracker.

Sie können ohne Twitter nicht leben, immer noch nicht? Trotz der Veränderungen? Dann nutzen Sie nitter. Keine JavaScript-basierenden Werbungen. IP-Adresse wird nicht getrackt und vieles mehr. Aber besser, nutzen Sie gleich Mastodon.

Sie verwenden Office von Microsoft. Warum nicht OnlyOffice? Nutzen Sie alle Funktionen in jedem Detail in Word und Excel? Eher nicht. OnlyOffice ist kompatibel, kostenlos und überwacht nicht.

Warum nutzen Sie doodle und nicht nuudel, um Termine im Verein oder mit Freunden abzustimmen und so einer amerikanischen Firma zu zeigen, welches Beziehungsnetzwerk Sie haben, wann Sie sich mit welchen Freunden oder im Verein treffen?

Nichts, absolut nichts ist alternativlos.

Bekommen Sie Ihren Gluteus Maximus hoch und ändern Sie etwas. Ansonsten wird das Erwachen schlimmer als das, was wir letztes Jahr erlebt haben.