Ich habe den Eindruck, dass wir den Begriff „Kaufen“ langsam umdefinieren, ohne uns dessen wirklich bewußt zu sein.
Definition
Kaufen heisst:
Erwerb des Eigentums an einer Sache oder der Inhaberschaft an einem Recht gegen Bezahlung bzw. der darauf gerichtete Vertrag, siehe Kaufvertrag“
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Kauf
Unter Kaufvertrag finden wir dann:
… dass der Verkäufer dem Käufer die Rechtsinhaberschaft an einer Sache, einem Recht, einer Forderung oder sonstigen vermögenswerten Position verschafft. Im Gegenzug schuldet der Käufer dem Verkäufer die Gegenleistung in Form von Geld.“
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Kaufvertrag
Mein Verständnis bisher war: Ich gebe jemandem Geld für ein Gut und dann kann ich damit machen was ich will, solange das im legalen Rahmen bleibt. Überschreite ich diesen, dann ist die Polizei involviert, aber nie der Verkäufer. Und das ist gut so.
Stellen Sie sich vor, der Hersteller eines Skalpells würde jedes Mal verklagt werden, wenn damit ein Mensch „aufgeschnitten“ wird. Mal im Krankenhaus, also eher legal, mal in der Nacht in einem Hinterhof, also eher illegal.
Oder ein Autohersteller würde verklagt werden, wenn die Fahrer seiner Modelle zu schnell fahren oder falsch parken.
Genau. Ich erwerbe das Gut, es wird mein Eigentum. Ggf. müssen wir nochmal den Unterschied zwischen Besitz und Eigentum nachlesen.
Du bist der Eigentümer einer Sache, wenn dir die Sache gehört.
https://studyflix.de/wirtschaft/besitz-und-eigentum-4482
Du bist der Besitzer einer Sache, wenn du die Sache gerade real bei dir hast und auf sie zugreifen kannst.“
Was gehört Ihnen?
Stellen Sie sich die Fragen, wenn Sie diese glauben gekauft zu haben:
Gehört Ihnen Ihr Handy?
Gehört Ihnen Ihr Auto?
Gehört Ihnen Ihr Fahrrad?
Gehört Ihnen Ihr Fernseher?
Gehört Ihnen Ihr Router, das wichtigste Gerät für Ihren Internetzugang?
Gehören Ihnen Ihre Bücher auf dem Kindle?
Gehören Ihnen Ihre Sony PSP Spiele?
Gehören Ihnen die Filme, die Sie bei Apple TV oder Amazon Prime gekauft haben?
Ich habe vor einiger Zeit ein Buch gelesen: „If it is smart, it is vulnerable.“
Auf Deutsch so viel wie: Wenn es verbunden ist, ist es angreifbar.
Das bringt mich eher zu der Aussage bei Geräten:
„Wenn es eine Internetverbindung hat, dann haben Sie es nicht gekauft.“
Beispiele
Es gibt mittlerweile so viele Beispiele, aber keinen Aufschrei.
Van Moof Fahrräder
LG Fernseher
HP
Samsung
Apple iPhone (das ist soo offensichtlich)
Arlo Kamera
Amazon Ring
Mercedes
Die Liste wird länger und länger.
Lesen Sie wirklich die Vertragsdetails und die AGBs und die Datenschutzbestimmungen und alle anderen 888 Seiten, die Sie lesen müssten, um einen fundierten Entscheid zu treffen?
Was ich mehr und mehr sehe ist, dass ich etwas kaufe und dann ändern sich irgendwann die Vertragsbedingungen.
Siehe Philips Hue.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Frisör, dieser verlangt für den Haarschnitt 30€ und mitten im Schnitt stoppt er und verlangt nochmal 10€, sonst macht er nicht weiter. Undenkbar. Digital? Nehmen wir es hin.
Aber es muss gar nicht bösartig vom Hersteller sein, sondern es reicht ja aus, wie bei Van Moof, wenn die Firma pleite geht. Ein Gerät, dass ohne Internetverbindung zu den Servern des Herstellers nicht funktioniert, hat immer das Risiko, dass sie es von einer Sekunde auf die andere nicht mehr nutzen können. Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Bahnhof und wollen mit Ihrem Fahrrad nach Hause fahren, doch können es nicht, weil Sie es nicht entsperren können, weil das Internet nicht funktioniert, die Server des Herstellers nicht erreichbar sind oder die Firma pleite ist und die Kosten für die Server länger nicht bezahlt hat.
Davor schützt Sie niemand.
Spezialfall Software
Bei Software gibt es noch die Situation, dass Sie eine Lizenz auf Lebenszeit kaufen, dann aber plötzlich kein Update mehr erhalten, wenn Sie kein Abo abschließen. Sie bezahlen also zweimal. Und nicht nur das: Manche Anbieter programmieren die Software so, dass sie nicht mehr benutzt werden kann, selbst wenn es noch möglich wäre. D.h. Sie haben bspw. ein Programm für Windows 7 auf Lebenszeit gekauft, haben noch einen Windows 7 Rechner, der am Netzt hängt, könnten das Programm also noch nutzen. Doch vom Server wird der Software mitgeteilt, nicht mehr zu funktionieren.
Die Geräte gehören uns nicht, wir und unsere Daten gehören den Herstellern. Wenn und so lange wir das mitmachen. Aber das werden die meisten.
Mit Google und Facebook haben die Tech-Firmen uns glauben gemacht, dass sie ein Gott gegebenes Recht auf unsere Daten haben. Dass das Datensammeln gut für uns ist.
Und wir können absolut nichts dagegen tun. Denn die Firmen stehen über dem Gesetz. Die Datenschutzverantwortlichen sind machtlos, haben keine Ressourcen und das meiste liegt sowieso in Irland. Dass die Datenschutzbehörde dort nichts unternimmt, habe ich schon öfters erläutert.
Neuer Trend in den USA: Keine Gerichte mehr
In den USA gibt es gerade einen neuen Trend: Wenn Sie Probleme mit dem gekauften Gerät oder der Software haben, können Sie nicht mehr vor Gericht gehen. Beim Kauf stimmen Sie auf Seite 29 zu, dass Sie diese Rechte abgeben und eine Einigungsstelle verwendet wird. Diese wird vor allem durch Anwälte des Herstellers besetzt. Wieviel Sie dann noch durchsetzen können, können Sie selber beantworten.
Ich frage mich, wann das in Deutschland kommt. Ob das rechtlich in Deutschland möglich ist, weiss ich nicht, ich habe aber kein Vertrauen darauf, dass selbst wenn das nicht legal ist, trotzdem passiert und es nur drei Menschen interessiert.
Bezahlen mit Daten?
Oftmals höre ich und sie wahrscheinlich auch: Sie bezahlen mit Ihren Daten. Das ist leider nur teilweise wahr. Als ich das letzte Mal ein Handy gekauft habe, musste ich mit echten Euro-Scheinen bezahlen. Doch neben dem echten Geld geben Sie Ihr ganzes digitales Leben an den Hersteller ab. Bei Google sind das über 1000 Firmen.
Aber ich kann mich in den letzten Jahren nicht erinnern, nur weil die Hersteller mehr Daten sammeln, dass deswegen die Preise gesunken sind. Die Hersteller haben also einen zusätzlichen Einnahmezweig generiert. Kein Wunder, dass Google, Apple und Samsung zu den größten Firmen der Welt gehören.
Reparieren?
Ich habe mehrmals darüber geschrieben, dass uns nichts mehr gehört. Wir können auf vielen Handys kein anderes Betriebsystems installieren oder es wird kontrolliert, welche Apps wir installieren können (was sich gerade vor allem beim iPhone ändert).
Die Hersteller zwingen uns, Online-Konten einzurichten, auch wenn das technische Gerät ohne Internet voll funktionieren könnte.
Auch können wir die Geräte nicht selber reparieren und die Hersteller machen es uns schwer bis unmöglich, sie woanders als bei ihnen reparieren zu lassen.
Oder aber die Preise sind so hoch, dass viele Verbraucher sich entscheiden, ein neues Gerät zu kaufen. Das ging mir auch so, mit Apple AirPods. Monopolisierung (bei der Reparatur) treibt die Preise nach oben, das ist eine Binsenweisheit seit es Kapitalismus gibt.
Das kann zu kuriosen Situationen führen.
Auftritt Tesla:
Ein Paar hat von Tesla eine Reparaturrechnung über $33.000 erhalten, weil sie das Auto bei starkem Regen gefahren sind.
Ausblick
Viele Menschen scheinen keine Idee davon zu haben, was das in letzter Konsequent bedeutet, auch wenn es jetzt schon Beispiele gibt. Preiserpressung, Abschalten von Diensten und Funktionen, wenn Firmen Pleite gehen, funktioniert das Gerät vielleicht nicht mehr oder nur noch, solange die Cloud-Server aktiv sind, die aber niemand mehr betreibt.
Die Hersteller zwingen uns also, Konten bei ihnen zu eröffnen, Daten abzugeben und/oder verbieten es, das Gerät zu nutzen, wie man möchte. Das Ganze nennt sich
Lock-in
Google könnte einen sehr grossen Teil seiner Werbeeinnahmen streichen, wenn es für jeden Nutzer einfach wäre, die Google Dienste abzustellen oder einfach ein Handy mit einem alternativen Betriebsystem zu kaufen. Gleiches gilt für Apple, die noch strenger mit den Freiheiten der Benutzer umgehen.
Was wir nicht vergessen dürfen: Das sind keine deutschen oder europäische Firmen, sondern amerikanische. Dinge, die in Deutschland legal sind, können auf den Geräten nicht ausgeführt werden, weil die amerikanische Firmen das für moralisch oder anderweitig falsch halten.
Sie können kein digitales Buch auf einem iPad bei Amazon kaufen. Weil Apple auch hier 30% kassieren würde.
Routerfreiheit
Beim Internetzugang hatten wir lange die Diskussion zum Thema Routerfreiheit. Jeder Nutzer sollte in der Lage sein, seinen eigenen Router für den Zugang zum Internet zu nutzen und nicht vom Anbieter abhängig zu sein.
Bei der Routerfreiheit haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass Internetanbieter alle Möglichkeiten nutzen, damit sie die Router kontrollieren und nicht Sie. Ein Freund hat das gerade erlebt. Was er mir erzählt hat, war leider keine Überraschung. Letztendlich hat er es hinbekommen. Aber der ISP hat es ihm so schwer wie möglich gemacht.
Jetzt kämpfen alle Anbieter darum, diese „Türsteher“-Rolle unbedingt behalten zu wollen oder in diese Position zu gelangen. Denn nur so können sie auch sicherstellen, dass sie weiter alle ihre Daten bekommen, dass sie die Kontrolle über Ihre Geräte und Ihre Daten behalten und diese neben dem Kaufpreis monetarisieren können. Gnade Ihnen Gott, wenn Sie die Datensammelei unterbinden oder sich beschweren wollen.
Der Router ist ganz besonders sensibel, denn dieser hängt direkt am Internet und Sie haben keine Möglichkeiten, dessen Verkehr zu blockieren. Ich habe D-Link und Netgear getestet und sie wieder zurück geschickt.
Auf heise und bei der Free Software Foundation gibt es zum Thema Routerfreiheit mehr Informationen.
Also: Kauf?
Am Ende wandelt sich der Begriff und das Verständnis von „Kauf“. Sie kaufen etwas und es wird Ihnen auch so „verkauft“, dass es Ihnen gehört, aber es gehört nicht mehr Ihnen. Sie erwerben nur noch ein Nutzungsrecht, das Ihnen nach Gutdünken der Hersteller entzogen werden kann, dessen Vertragsgrundlage vom Hersteller beliebig verändert und erweitert werden kann und Sie in eine Abhängigkeit bringt, gegen die Sie nichts unternehmen können.
Es sei denn, Sie kaufen Geräte, bei denen diese Erpressungsmöglichkeiten nicht gegeben sind. Aber machen wir uns nichts vor. Die Optionen dazu werden immer weniger. Da nur wenige Menschen darauf achten, gibt es bald keine Optionen mehr.
Aber ich gebe die Hoffnung nicht.