Die nicht so offensichtlichen Sammler, Teil 4

Ahnenforschung
Nachdem wir schon über sehr private Dinge gesprochen haben, gehen wir einen Schritt weiter. Ich sehe im Fernsehen mehr und mehr Werbung für:

„Finden Sie Ihre früheren Angehörigen. Schicken Sie uns Ihre DNA und wir sagen Ihnen ob Sie mit Dschinghis Khan (0,5% aller Männer weltweit sollen genetisch von ihm abhängen) oder Karl dem Grossen verwandt sind.“

DNA (im Deutschen eigentlich DNS, Desoxyribonukleinsäure, aber DNA hat sich eingebürgert und hilft hier es vom Domain Name System zu trennen), unsere genetische Basis, ist einmalig. Wenn Sie hören, Sie sind zu 99,994% der Vater eines Kindes, das Sie nicht kennen, von einer Frau, die Sie noch nie gesehen haben, dann ist das in Oberstdorf eindeutig, in Tokio aber vielleicht statistisch nicht.

Viele Menschen finden das spannend, lassen sich ein DNA Kit schicken, nehmen eine Speichelprobe, senden sie zurück und warten was passiert. Verwandt mit Dschinghis Khan oder doch Charlie Chaplin? Hat nicht Oma damals von einer Affäre erzählt? Ich kann dem auch ohne an Datenschutz zu denken nicht viel abgewinnen, aber das ist meine Sache. Aus meiner Datenschutzsicht ist das Thema aber kritisch.

Die Werbung, die ich am meisten sehe, ist von Ancestry und MyHeritage. Wenn Sie bei MyHeritage nach den Datenschutzbestimmungen suchen, war das bis vor kurzem nicht sofort ersichtlich, wie bei vielen anderen Webseiten auch. Wenn Sie diese auf Deutsch gefunden haben, begrüsst Sie als erstes folgender Text:

‚Die unten angezeigte Deutsch Übersetzung unserer Datenschutzbestimmungen ist nicht die verbindliche Fassung. Sie dient lediglich zur Information und besseren Verständlichkeit.’

Sie müssen also den englischen Text lesen und wirklich verstehen. Wir erfahren, die Firma sitzt in Israel, nicht in der EU. Der israelische Geheimdienst hat einen bestimmten Ruf. Es würde mich wirklich interessieren, was dort mit DNA Kits passiert, die auf eine Verbindung zu Hitler, Göbbels oder Eichmann deuten. Möglicherweise nichts.

Lesen Sie weiter, finden Sie auf Deutsch am Anfang viel Text, dass die Daten niemals an andere verkauft oder lizenziert werden usw. Doch dann:

‚Wir werden Ihre personenbezogenen Daten nicht an Dritte weitergeben, außer unter den folgenden äußerst beschränkten Umständen:
(a) an unsere Dienstleister (z. B. den Zahlungsplattformen Adyen, Stripe, BlueSnap und PayPal) unter dem Schutz entsprechender Vereinbarungen – um Ihnen unseren Service zur Verfügung zu stellen; (b) mit Ihren DNA-Matches (falls aktiviert); (c) mit Ihren Smart Matches (falls aktiviert); (d) wenn wir gesetzlich dazu verpflichtet sind oder um unsere Rechte oder das Eigentum anderer Nutzer zu schützen; (e) um unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder unsere Datenschutzerklärung durchzusetzen; und (f) im Rahmen einer Akquisition unseres Unternehmens.’

Sollte also Google oder eine andere Firma MyHeritage kaufen … Siehe Fitbit… Und das ist nur, wenn Sie dieser Firma vertrauen und diese Firma sich wirklich an alle Richtlinien hält, es keinen Datenbreach (also niemand die Daten hackt oder ein verärgerter interner Mitarbeiter einen USB Stick mit herausnimmt, wie Snowden bei der NSA oder anderen) gibt usw. Bisher wurde noch fast jede Firma erfolgreich gehackt. Die Liste der Datenbreaches ist riesig und lang.
Die DNA sagt einiges über Sie aus, z.B. welche möglichen Krankheiten Sie mit welcher Wahrscheinlichkeit noch vor sich haben. Natürlich nicht mit 100% Sicherheit, aber was machen Sie, was macht ein Arbeitgeber, was macht ein potentieller Partner, wenn er oder sie erfährt, dass Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 81% zum Pflegefall oder anders eingeschränkt sein werden oder in drei Monaten sterben? Was sagt eine Versicherung dazu? Auch wenn die Daten laut deutschsprachigem Datenschutzdokument, nicht direkt an die Versicherung verkauft werden, könnten Sie dort landen.

Auf der Homepage von Ancestry finden Sie den Datenschutz ganz unten und ganz klein. Sie können auch erfahren, dass die Firma in Utah, USA sitzt und in. Deutschland eine Niederlassung in Grafing bei München hat. Die Datenschutzbestimmungen haben dann u.a. folgende Absätze:

‚Wir können auch von Dritten Informationen über Sie erhalten. So können wir beispielsweise die von uns erfassten Daten durch demografische Informationen ergänzen, die von Dritten lizenziert wurden, um die Dienste und unsere Angebote für Sie zu personalisieren.’

Lizenziert die Firma Daten von beispielsweise Facebook, dann können diese mit Ihren Gendaten zu einem wunderbaren Profil zusammengestellt werden. Also Augen auf, wem Sie Ihre Daten geben und wem Sie erlauben, diese Daten weiterzuverkaufen.

Unter Punkt 7 wird dann länglich erläutert:

‚Wir arbeiten bei der Erbringung und Vermarktung der Dienste mit anderen Unternehmen zusammen. Infolgedessen werden diese Unternehmen einige Ihrer Informationen in ihren Systemen haben. Diese Unternehmen unterliegen vertraglichen Verpflichtungen zum Datenschutz, zur Datensicherheit und Vertraulichkeit in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen.

Zu diesen Unternehmen gehören unsere:

  • Laborpartner;
  • DNA-Test-Versandanbieter;
  • Zahlungsabwickler;
  • Anbieter von Infrastruktur für Cloud-Dienste;
  • Einrichtungen zur Lagerung biologischer Proben;
  • Anbieter, die uns bei der Vermarktung (einschließlich Werbung), der Analyse der Verbraucherforschung, der Betrugsbekämpfung und der Gewährleistung der Sicherheit unterstützen;
  • Anbieter von Kommunikationsinfrastrukturen und
  • Gewinnspiele und Werbeaktionen.’

Gewinnspiele und Werbeaktionen? Geht es noch.

Und weiter, wie oben auch:

‚Wenn Ancestry oder seine Geschäftsbereiche übernommen oder übertragen werden (einschließlich im Zusammenhang mit einem Konkurs- oder ähnlichen Verfahren), werden wir Ihre personenbezogenen Daten an das übernehmende oder empfangende Unternehmen weitergeben. Die Zusicherungen in dieser Datenschutzerklärung gelten weiterhin für Ihre personenbezogenen Daten, die an das neue Unternehmen übertragen werden.

Ancestry kann Benutzerinformationen in aggregierter Form im Rahmen der Dienste oder unseres Marketings oder in wissenschaftlichen Publikationen, die von uns oder unseren Forschungspartnern veröffentlicht werden, offenlegen.

Wenn Sie noch mehr lesen wollen, bitte schön. Mir hat es bis hierher gereicht. Es gibt noch mehr Punkte, die wie ich finde kritisch sind. Und wie gesagt: Wie schützen diese Firmen Ihre Daten, wie sind die Backups gesichert, und spätestens wenn diese Firmen für grosse Firmen interessant werden, sind Ihre Daten möglicherweise in den falschen Händen.

Wollen Sie diesen Firmen wirklich Ihre DNA geben? Diese Daten können auch angefragt werden, wenn die Behörden das wollen. Ich denke, die Deutschen hätten kein Problem an die Daten in Grafing, Israel oder den USA zu kommen, wenn sie sie wollten. Ein Rechtshilfegesuchabkommen würde wahrscheinlich reichen. Aber auch so können Sie nicht sicher sein, dass Ihre Daten nicht doch irgendwo im Internet oder Tornetzwerk auftauchen.

Hinzukommt, dass diese Analyse der Herkunft gerne verschenkt wird. Damit können Beziehungen hergestellt werden und möglicherweise kommen über den Empfänger Dinge raus, die er nicht möchte. Und kann sich dagegen vielleicht nicht mal wehren.

Selbst das Pentagon hat seine Angehörigen gewarnt, diese Dienstleister zu verwenden. Es könnte die Karriere zerstören, die Daten sind unsicher und unzuverlässig. Und wer weiss, vielleicht war Ihr Vorfahr ja Jack The Ripper. Wären Ihre Nachbarn dann immer noch so nett? Oder ein entfernter Verwandter war ein Kinderschänder. Naja, Sie haben ähnliche Gene, da wird schon was dran sein.
Die meisten Menschen interessiert nicht, ob die Wahrscheinlichkeit für ein Verbrechen bei 20% oder 80% liegt, Sie müssen weg. Und anonym können Sie den Service natürlich nicht nutzen.
Wenn Sie jetzt denken: ‚Mist, hätte ich das bloss nicht getan.‘, hier ein wenig Hilfe den Schaden zu begrenzen.

MyHeritage: Loggen Sie sich ein, gehen Sie auf die Kontoeinstellungen und löschen Sie Ihr Konto. Möglicherweise muss die Firma ein paar Daten behalten, aber sie dürfen Sie ab dem Zeitpunkt nicht mehr verkaufen oder sonstwie teilen. Mehr können Sie nicht tun.

Wenn Sie bei Ancestry waren: Loggen Sie sich ein und klicken Sie auf DNA. In den Einstellungen können Sie die Testergebnisse löschen. Sie müssen dazu Ihr Passwort nochmals eingeben. Sie können auch hier den gesamten Account löschen. Es gilt dasselbe wie bei MyHeritage.